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Der Schrei – der rätselhafte Fall Rafael Blumenstock
ARD Audiothek
Rafael Blumenstock trug gerne Nagellack, Handtasche und Lippenstift. Er sei eine Art Till Eulenspiegel gewesen, der den Ulmern Streiche gespielt und Spießern den Spiegel vorgehalten habe. Habe mit Schokoküssen nach Passanten geworfen und Fahrgäste in einem Bus zum Singen gebracht. Ein kreativer Systemsprenger.
Am 4. November 1990 findet ein Mitarbeiter der Straßenreinigung Blumenstocks Leiche mitten in der Stadt am Münsterplatz, in der Nähe des Polizeipräsidiums. Jemand hat ihn erstochen und ihm die Nasenspitze abgetrennt. Seine Schreie müssen laut gewesen sein, doch niemand will etwas mitbekommen haben. Wurde Blumenstock getötet, weil er „anders“ war?
35 Jahre danach suchen Nele Grundt, Chiara Battaglia und ihr Team nach neuen Spuren. An einigen Stellen schildern die Macherinnen des SWR-Podcasts die grausame Tat zu detailliert, ansonsten gehen sie opfersensibel vor. Sie wollen unbedingt den oder die Täter finden, im Gegensatz zu vielen anderen True-Crime-Produktionen ist ihre aber nicht täterzentriert.
Zum einen nehmen Grundt und Battaglia die Angehörigen, die sich zum Teil erstmals öffentlich äußern, von Beginn an mit, geben Erinnerungen und Gefühlen Raum. Zum anderen zeichnet der spannend erzählte Podcast mit Hilfe der Hinterbliebenen kein wie so oft grobes, sondern ein facettenreiches Bild des Opfers, das weit über das öffentlich wahrgenommene „Anderssein“ hinausgeht. Die Zuhörenden erfahren beispielsweise, dass der Klavierspieler Rafael mit seinen Händen unterschiedliche Tonarten spielen und komponieren konnte. Dass er sich als Kind Dadon nannte und auch später in sein eigenes Land träumte, „Dadonlandia“, im Indischen Ozean, wo es nur Wochenenden, Feiertage und grenzenlose Freiheit gab. Dass er einen „Tick mit Nasen“ hatte. In der Realität provozierte er manchmal, besonders aggressive Manschen, die er habe „aufbrechen“ wollen, wie eine enge Freundin erzählt. Vor seinem Tod sei er aufgewühlt gewesen und habe gesagt, er brauche viel Geld, erinnert sich ein Bruder. Anders als sonst habe er sich an jenem Tag Zeit für den Abschied genommen.
Für die Persönlichkeit von Rafael, der in keine Schublade passte, nehmen sich Grund und Battaglia bewusst Zeit. Gleichzeitig recherchieren sie, um den Fall zu lösen und damit auch die vielen offenen Fragen der Hinterbliebenen zu beantworten. Sie sprechen mit Ermittlern, einem Rechtsmediziner, werten Akten aus, befragen alte und neue Zeugen.
Dem Motiv Queerfeindlichkeit gingen die damals Ermittelnden zunächst nicht nach, obwohl schwule Männer in Ulm schon angegriffen worden waren. Können US-Soldaten beteiligt gewesen sein? Laut einer Zeugenaussage zogen junger Männer in Militärkleidung durch die Stadt. Oder war es eine Beziehungstat? Am Tatort wurde eine DNA-Spur entdeckt. Won wem stammt sie?
Seit dem vergangenen Jahr steht in Ulm eine Gedenkstelle für ihn und auch der Podcast hält die Erinnerung an Rafael Blumenstock wach.
www.ardaudiothek.de/sendung/der-schrei-der-raetselhafte-fall-rafael-blumenstock
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