Das Unsichtbare sichtbar machen
Die Dauerausstellung „Wohnung Rosenstraße 76“ erzählt leise und eindrucksvoll von häuslicher Gewalt. Die Außenstelle Peine des WEISSEN RINGS hat sie besucht.
In der Ausstellung können die Besucherinnen und Besucher auch Tagebucheinträge von Gewaltbetroffenen lesen und deren Sorgen erfahren.
Das Ambiente ist freundlich: heller Flur, warme Farben. Zunächst deutet nichts darauf hin, dass dieser Ort die dunkelsten Seiten von Beziehungen spiegelt. Es ist keine echte Wohnung, und doch ist sie voller Geschichten. „Ohne mich schaffst du das sowieso nicht.“ Dieser Satz begegnet einem im Wohnzimmer mehrfach. Im Schlafzimmer hängen zwischen Kissen und gedämpftem Licht Sätze in der Luft, die viel zu oft unausgesprochen bleiben: „Ich weiß nie, in welcher Stimmung er heute ist.“ Die Manipulation und die Isolation, die die Frau – hier „Rebecca“ genannt – erfahren hat, werden spürbar. Auf einer Packung Kondome klebt ein Post-it mit der Aufschrift „Schon lange her!“. In einem Mutterpass stehen zwei ausgetragene Schwangerschaften, ein Abbruch und ein Verlust.
Wer die Ausstellung „Wohnung Rosenstraße 76“ in Braunschweig besucht, verlässt sie bewegt – auch die Außenstelle Peine des WEISSEN RINGS. „Hier wird das Unsichtbare sichtbar gemacht“, sagt Sabine Schymosch, stellvertretende Leiterin der Außenstelle. Die Ausstellung zeige, dass Gewalt viele Gesichter hat und das Schweigen darüber gebrochen werden kann und muss. „Psychische Gewalt ist schwer zu fassen. Doch sie beginnt oft lange, bevor die erste körperliche Verletzung sichtbar wird. Sie zersetzt, macht klein“, erklärt die Mitarbeiterin der „Rosenstraße 76“, die durch die Ausstellung führt.
„Psychische Gewalt beginnt oft lange, bevor die erste körperliche Verletzung sichtbar wird. Sie zersetzt, macht klein.“, sagt eine Mitarbeiterin der Dauerausstellung.
Das Konzept haben „Wort für Werk“, „Brot für die Welt“ und das Diakonische Werk entwickelt. Die Ausstellung war bereits an zahlreichen Orten zu sehen und läuft derzeit noch in Osnabrück. In Braunschweig wurde sie auf Initiative des Runden Tisches gegen Häusliche Gewalt im April 2024 eröffnet und dient besonders als Präventionsangebot für Schulklassen ab Jahrgang neun sowie soziale Einrichtungen. Sie zeigt auch Auswege auf, nennt zum Beispiel Anlaufstellen wie Frauenhäuser.
In der Wohnung sind Beteuerungen des Mannes zu finden, etwa: „Es tut mir leid, das passiert nicht wieder.“ Sie deuten darauf hin, dass die Gewaltspirale längst nicht mehr am Anfang ist. Wer die Küche betritt, in der ein scharfes Messer mit einem Zettel und den Worten „Finale Lösung“ befestigt ist, weiß, was damit gemeint ist.
Worte, die treffen, weil sie aus dem echten Leben stammen. Sie erzählen von Kontrolle, Isolation, Angst. Besucherinnen und Besucher werden nicht mit Zahlen konfrontiert, sondern mit Atmosphären, mit stillen Räumen, die nachhallen und die Frage stellen: Wie erkenne ich, dass Grenzen überschritten werden? Die Ehrenamtlichen waren sich darin einig, dass viele Besucherinnen in den Exponaten eigene Erfahrungen wiedererkennen dürften. Das sei schmerzhaft – aber auch ein Moment, in dem Erkenntnis beginnt.
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