
„Der Antragsstopp ist beschämend und ein schwerer Schlag für die Opfer, die oft jahrzehntelang unter den Folgen des Missbrauchs leiden“, sagt Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS. Foto: Angelika Stehle/WEISSER RING
Datum: 09.07.2025
Opferschützer üben scharfe Kritik am Antragsstopp und Aus des FMS
Nach dem rückwirkenden Antragsstopp beim Fonds sexueller Missbrauch (FSM) haben fünf Fachorganisationen für Betroffene sexualisierter Gewalt scharfe Kritik geübt und am vergangenen Freitag ein Schreiben an den Koalitionsausschuss geschickt.
Sie fordern, die Hilfen zu erhalten und die dafür nötigen Mittel im Bundeshaushalt bereitzustellen. In dem Brief heißt es unter anderem: „Die Bundesregierung sollte Missbrauchsbetroffenen und Opferhilfsorganisationen zeitnah eine Perspektive aufzeigen und die künftige Ausgestaltung des Ergänzenden Hilfesystems konkretisieren.“ Unterzeichnet wurde die Erklärung vom WEISSEN RING, der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, der Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Feministischer Organisationen gegen Sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen.
Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS, sagt: „Der Antragsstopp ist beschämend und ein schwerer Schlag für die Opfer, die oft jahrzehntelang unter den Folgen des Missbrauchs leiden.“ Dass an den wehrlosesten, am stärksten Betroffenen und auch noch rückwirkend gespart werde, sei zynisch. „Sie sind auf die niedrigschwelligen Hilfen dringend angewiesen. Unseren Erfahrungen nach handelt es sich um unverzichtbare Bestandteile des Unterstützungssystems für Opfer von sexualisierter Gewalt“, so Biwer.
Der FSM ist Teil des Ergänzenden Hilfesystems (EHS) und kann Folgen des Missbrauchs lindern und einspringen, wenn notwendige Leistungen nicht durch Kranken- und Pflegekassen oder das soziale Entschädigungsrecht abgedeckt werden. Denn diese Hilfsmöglichkeiten greifen oft nicht: „Was in der Theorie hilfreich klingt, erweist sich in der Praxis häufig als schwer zugänglich und wird durch viele Hürden schnell zur zusätzlichen Belastung für Betroffene. Deshalb braucht es dringend ein gesetzlich verankertes und niedrigschwelliges Hilfsangebot wie den Fonds“, so Franziska Drohsel von der Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung. Rund 36.000 Betroffene haben laut dem zuständigen Bundesfamilienministerium bisher einen Antrag gestellt, ausgezahlt wurden 165,2 Millionen Euro.
Die Organisationen hatten bereits in einer Pressemitteilung im März dieses Jahres angemahnt, den Fonds dauerhaft fortzuführen und strukturell abzusichern. Im Frühjahr war bekannt geworden, dass der Fonds auslaufen soll. Das damalige Familienministerium begründete das geplante Aus mit einer Prüfung des Bundesrechnungshofs, der moniert hatte, der Fonds verstoße gegen das Haushaltsrecht. Das neue, schwarz-rote Bündnis hingegen versicherte in seinem Koalitionsvertrag: „Den Fonds sexueller Missbrauch und das damit verbundene Ergänzende Hilfesystem führen wir unter Beteiligung des Betroffenenrats fort.“ Kürzlich teilte die Geschäftsstelle des Fonds jedoch mit, dass ab dem 19. März 2025 eingegangene Erstanträge nicht mehr berücksichtigt werden könnten, weil die im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel nicht ausreichten.
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