Starke Stimme für die Ausbildung

Menschen vor Ort helfen, ihnen persönlich begegnen – das ist es, was Ruth Stöpper seit 42 Jahren an der Arbeit des WEISSEN RINGS schätzt. Seit 1990 leitet sie die Außenstelle Paderborn und ist seit 2002 Vize-Landesvorsitzende in NRW/Westfalen-Lippe. Besonders am Herzen liegt der 71-Jährigen die Aus- und Weiterbildung der Ehrenamtlichen.

Ruth Stöpper aus Paderborn liegt die Aus- und Weiterbildung der Ehrenamtlichen am Herzen

Ruth Stöpper verfügt über eine jahrzehntelange Erfahrung als Lehrerin, auch deshalb ist Aus- und Weiterbildung ihr Spezialgebiet.

Jedes Mal, wenn Ruth Stöpper ihre Wohnung betritt oder Besuch empfängt, schließt sie die Tür von innen ab. Es ist bekannt, dass Sendungen wie „Aktenzeichen XY … ungelöst“ das Sicherheitsgefühl verändern können. Moderator Eduard Zimmermann warnte unermüdlich vor Neppern, Schleppern und Bauernfängern – und gründete  1976 den WEISSEN RING. „Eduard Zimmermann habe ich sogar mal persönlich getroffen bei einer Veranstaltung des WEISSEN RINGS in Mainz“, sagt Stöpper. Aber die Wohnungstür schließe sie aus einem anderen Grund ab: „Ich hatte früher eine Katze, die konnte auf die Türklinke springen. Da habe ich mir das angewöhnt“, sagt die 71-Jährige schmunzelnd.

Ruth Stöpper hat in 42 Jahren beim WEISSEN RING sehr viele Opfer von Straftaten betreut. Menschen, die mit Fäusten, Messern und sogar Säure angegriffen worden  sind. Sie sei vorsichtiger, aufmerksamer im Umgang mit Menschen. Angst habe sie nicht. „Vielleicht habe ich einfach Glück, dass ich eine sehr robuste Psyche habe“, sagt  die pensionierte Hauptschullehrerin. Möglicherweise helfen auch die professionellen Strukturen des Vereins, die Stöpper vor allem bei der Ausbildung mit auf- und ausgebaut hat. Es dürfte kaum Ehrenamtliche im Verein geben, die nicht von ihr ausgebildet worden sind. In 31 Jahren als Referentin im Grundseminar hat sie nur ein einziges Mal gefehlt. „Da bin ich samstags morgens wach geworden und konnte nicht sprechen. Ich war heiser und habe krächzend am Telefon abgesagt.“ Stöpper hört sich sonst ganz anders an: Ihre markante Stimme ist ihr Markenzeichen.

 

“Es gibt Fälle, die vergisst man nicht.“

Ihr erster Einsatz war eine einschneidende Erfahrung: „Es gibt Fälle, die vergisst man nicht“, erzählt Ruth Stöpper. In einem kleinen Ort bei Paderborn war eine Frau von ihrem Ehemann ermordet worden. Sie hinterließ drei Kinder. „Ich habe die Eltern der Getöteten betreut, bei denen die Kinder untergekommen waren. Das war schwierig für mich, ich hatte ja keinerlei Erfahrung“, schildert Stöpper. „Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen: Wir sind allein losgegangen, ohne eine richtige Einarbeitung. Man ist ins kalte Wasser geworfen worden.“ Erschwerend kam hinzu: Die Eltern des Opfers zeigten ihr Bilder von ihrer toten Tochter. Ruth Stöpper  erschrak: „Ich bin mit der Frau zur Grundschule gegangen.“ In solchen Momenten zeige sich, sagt Stöpper rückblickend, wie wichtig es ist, die Ehrenamtlichen fundiert auszubilden.

Ruth Stöpper ließ sich nicht abschrecken und stieg tiefer in die Arbeit des WEISSEN RINGS ein. Im Jahr 1990 übernahm sie die Leitung der Außenstelle Paderborn.  Heute ist sie mit 71 die Älteste im sechsköpfigen Team, der Jüngste ist 33. Manchmal geäußerte Vorbehalte gegen jüngere Ehrenamtler kann sie nicht nachvollziehen: „Wir brauchen junge Leute, auch wenn diese vielleicht beruflich und familiär stärker eingebunden sind und weniger Zeit einbringen können.“ Stöpper ärgert sich, wenn sie einen Satz hört: „Das habe ich immer schon so gemacht und mache das weiter so.“ Sie betont: „Ich bin auch seit mehr als 40 Jahren dabei. Aber wir müssen uns doch
alle immer gemeinsam darum bemühen, auf der Höhe der Zeit zu bleiben.“

„Es ist die Hilfe vor Ort. Für Menschen, denen ich persönlich begegne und die mir gegenübersitzen.“

Ruth Stöpper

Deshalb nutzt Stöpper ihre pädagogische Kompetenz für die Aus- und Weiterbildung beim WEISSEN RING. Seit 2003 zunächst in einer Arbeitsgruppe, dann im zuständigen Fachbeirat, seit 2006 in der Seminarleitung. Das Grundseminar hat sie mit aufgebaut, um bundesweit die gleichen Voraussetzungen zu schaffen. „Unsere Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist wirklich gut. Wir können voller Überzeugung sagen: Wir sind professionell arbeitende Ehrenamtler.“ Zehn bis zwölf Wochenenden im Jahr ist sie bundesweit unterwegs. Bis zu ihrer Pensionierung hat sie Vollzeit als Hauptschullehrerin die Fächer Deutsch, Geschichte, Erdkunde,  Biologie und Kunst unterrichtet. „Ich war sehr gerne Lehrerin.“ Als Stöpper 2006 für ihre ehrenamtliche Tätigkeit das Bundesverdienstkreuz erhielt, hat sie einige ihrer Schülerinnen und Schüler zur Verleihung ins Paderborner Rathaus eingeladen. Sie sollten miterleben, dass Engagement sich lohnt und der Staat es anerkennt.

Kraft gibt ihr das Feedback von Betroffenen

„Die Opferarbeit macht keinen Spaß – aber es ist eine sehr erfüllende Aufgabe.“ Kraft gebe ihr das Feedback von Betroffenen: „Es ist schön, gespiegelt zu bekommen, dass der WEISSE RING in der Gesellschaft so akzeptiert ist und Menschen positive Erfahrungen gemacht haben.“ Entspannen kann Ruth Stöpper am besten, wenn sie reist oder liest. Während die Reisen gern in sonnige Gefilde gehen – nach Ägypten, Italien oder Kuba – fällt ihre Wahl bei Büchern eher auf kühle Krimis aus dem Norden.

Beim Rückblick auf 42 Jahre Opferhilfe sagt Ruth Stöpper: „Ich sehe bei den Mitarbeitenden einen unglaublichen Wandel. Sie stellen viel auf die Beine und haben viele gute Ideen auch im Bereich Prävention.“ Beim Blick in die Zukunft sagt sie: „Das ist jetzt nicht akut, aber irgendwann ist mal Schluss. Ich hoffe, dass ich selbst noch  merke, wenn es an der Zeit ist, aufzuhören.“ Bis dahin wolle sie neugierig bleiben: „Wenn man nicht aufgeschlossen ist, kommt auch nichts Neues mehr dazu im Leben.“