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„Pädokriminelle Foren im Darknet: Jetzt löschen wir richtig“

STRG_F/Panorama auf YouTube

„Ich glaube, kein Mensch fände es gut, wenn von ihm irgendwelche Nacktfotos […] öffentlich am nächsten Marktplatz ausgehangen werden auf Plakaten. Die meisten Menschen würden sich zu Tode schämen. Ich lebe jetzt seit über 20 Jahren damit, dass von mir solche Fotos auf dem nächsten Marktplatz hängen und ich nie weiß, wer von meinen Nachbarn die alle gesehen hat.“ Der Betroffene, von dem diese Sätze stammen, heißt nur im Film Lukas Jansen. Für die Reportage „Pädokriminelle Foren im Darknet: Jetzt löschen wir richtig“ wurde sein Name geändert. Als Kind wurde er jahrelang schwer sexuell missbraucht, immer wieder wurden davon Fotos und Videos gemacht. Er ist sich sicher, dass diese auch im Netz gelandet und somit öffentlich zugänglich sind. Fälle wie die von „Lukas“ sind es, die dem Film seine emotionale Wucht und politische Relevanz geben.

Journalist Daniel Moßbrucker und Informatiker Tobias Hübers haben es sich zur Aufgabe gemacht, pädokriminelle Inhalte im Darknet löschen zu lassen. Der aktuelle Film ist die Fortsetzung der Reportage „Pädokriminelle Foren: Warum löscht niemand die Aufnahmen?“, in deren Verlauf die Macher das größte Pädokriminellen-Forum des Darknets lahmlegten. Das jetzige Ziel der Filmemacher: Löschen im großen Stil. Dafür haben sie Foren durchforstet und eine KI trainiert, um nicht alle Abbildungen von Missbrauch selbst ansehen zu müssen. „Ich hoffe, dass der Teil des Projektes schnell vorbeigeht“, sagt Moßbrucker im Film. „Diese Bilder vergessen, das geht nicht mehr. Sie aus dem Netz zu löschen schon. Umso bedrückender zu sehen, was alles verfügbar ist und wie lange schon.“

Nach einem halben Jahr hatten Hübers und Moßbrucker den verantwortlichen Internetunternehmern 310.199 Links gemeldet, die diese dann gelöscht haben. Insgesamt sind so 21,6 Terabyte an pädokriminellen Inhalten aus dem Netz gelöscht worden. Um die Dimension zu verdeutlichen, rechnen die Filmemacher die Größe um: Das ist „so viel, als würde man sich anderthalb Jahre lang Videos anschauen, rund um die Uhr, in hochauflösender Qualität“. Diese Aufnahmen sind nun alle weg, innerhalb von sechs Monaten, dank eines zweiköpfigen Teams.

Die Reaktionen der Foren-Nutzer bestärken den Erfolg des Projekts. User schreiben, nachdem immer mehr Inhalte gelöscht sind: „Diese Website ist Müll“; „Nichts funktioniert mehr“; „Es macht keinen Spaß mehr auf diese Seiten zu gehen. Alle Links sind zu 99,5 Prozent down“; „Die Frustration versaut mir echt die Stimmung, und ich wende mich anderen Hobbys oder Interessen zu“; „Vielleicht ist es an der Zeit, aufzugeben“; „Ich verabschiede mich aus der Pädo-Szene, weil es keinen Sinn mehr ergibt“.

Die Politik hatte schon nach dem ersten Film versprochen, pädokriminelle Inhalte konsequent zu löschen. Warum das nicht passiert ist? Auch darauf geht der Film ein. Die Filmemacher sprechen etwa mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), der erstaunlich ehrliche Worte findet: „Es wird nicht gelöscht, zumindest nicht so, wie ich es mir wünsche.“. Auf die Frage, wann das Löschen beginnt, antwortet Reul: „So schnell wie möglich.“ Es wäre wünschenswert, wenn die Aussage diesmal stimmen würde, denn das Löschen von pädokriminellen Inhalten würde Betroffenen wie Lukas helfen.

STRG_F ist das Recherche-Format von funk, dem jungen Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, produziert von PANORAMA (NDR).

Ein Film von Daniel Moßbrucker, Robert Bongen, Lisa Hagen,
Tobias Hübers
Kamera: Henning Wirtz, Lisa Hagen, David Diwiak
Schnitt: Jan Littelmann