Ein Anruf bei … Christian Heinz

Christian Heinz, Justizminister in Hessen, setzte sich vor einem Jahr über den Bundesrat für den bundesweiten Einsatz der elektronischen Fußfessel nach spanischem Vorbild ein. Nun hat die Bundesregierung reagiert. Ende August 2025 hat das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt. Hessen nutzt die neue Überwachungstechnik seit Ende Januar. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Elektronische Fußfessel spanisches Modell: Christian Heinz, Justizminister in Hessen

Christian Heinz Jahrgang 1976, ist Hessischer Minister der Justiz und für den Rechtsstaat. Zuvor war der Jurist stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag und Sprecher für Rechtspolitik. Heinz ist seit 1998 Mitglied der CDU.

Herr Minister Heinz, das Bundesjustizministerium hat jetzt einen Gesetzentwurf zum Einsatz der elektronischen Fußfessel nach spanischem Vorbild vorgelegt. Aus Ihrer Sicht: Endlich?

Es freut uns sehr, dass die schwarz-rote Koalition die hessische Bundesratsinitiative aus dem September 2024 in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen und jetzt in einen entsprechenden Gesetzentwurf gegossen hat. Wir haben damals bereits Eckpunkte formuliert, wie wir uns die Ausgestaltung des Gewaltschutzgesetzes wünschen. Dabei standen wir immer auch im stetigen Austausch mit dem WEISSEN RING. Jetzt ist endlich etwas da.

Was sind für Sie die wichtigsten Punkte?

Die Möglichkeit, den Einsatz der Fußfessel für die Dauer von sechs Monaten anzuordnen. Sie muss auch gegen den Willen des Trägers angelegt werden dürfen. Außerdem: dem geschützten Opfer dürfen keine Kosten entstehen. Wir schauen uns den Gesetzentwurf jetzt sehr genau an. Es sieht aber so aus, als wären wir auf einem guten Weg.

Immer wieder hört man, die elektronische Fußfessel sei kein Allheilmittel. Können Sie das nachvollziehen?

Gibt es Allheilmittel überhaupt? Dieses sehr plakative Argument kann nicht gegen den Einsatz der Fußfessel und für einen besseren Opferschutz vor schweren Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten sprechen. Wir müssen alles tun, was verfassungsrechtlich vertretbar ist, um Straftaten zu verhindern. Dazu gehört ein Bündel an Maßnahmen, wie beispielsweise die Täterarbeit. Deshalb waren uns auch verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings im Gewaltschutzgesetz wichtig. Aber eben auch die Fußfessel.

Kurzer Rückblick: Unter dem ehemaligen Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) hieß es lange Zeit, die Fußfessel könne über Ländergesetze geregelt werden. Viele Bundesländer haben den Einsatz der Fußfessel durch Gesetzesänderungen ermöglicht. Warum genügt das nicht?

Es war immer mein Eindruck, dass Herr Dr. Buschmann die Fußfessel nicht im Gewaltschutzgesetz haben wollte und sich des Themas deshalb wenig bis gar nicht angenommen hat. Es ist zudem falsch, dass es genügt, die Fußfessel auf Landesebene zu verankern. Die Polizeigesetze sind auf eine kurzfristige Abwehr von gegenwärtigen Gefahren ausgerichtet. Um eine dauerhafte und wirksame Möglichkeit zu haben, gerichtliche Kontakt- oder Näherungsverbote mit einer Fußfessel zu kontrollieren, muss diese ins Gewaltschutzgesetz aufgenommen werden. Die gesetzlichen Regelungen der Länder und das Gewaltschutzgesetz des Bundes bauen aufeinander auf und schließen alle Schutzlücken – von der Prävention einer möglichen Gefahr bis hin zur Kontrolle nach einer Haftstrafe.

Hessen hat die spanische Fußfessel schon im Herbst 2024 eingeführt. Wie häufig wurde die Technik eingesetzt?

Aktuell haben wir die Fußfessel bei neun Fällen mit insgesamt elf Opfergeräten im Einsatz. Die Diskrepanz kommt daher, dass manchmal mehrere Personen vor einem Täter geschützt werden müssen. Die Zahlen schwanken aber.

Gab es Alarmmeldungen?

Ja, es gibt diese sogenannten Ereignismeldungen sogar relativ häufig. Das zeigt auch, wie engmaschig die Täter überwacht und die potenziellen Opfer geschützt werden. Für unser Telefonat habe ich mir die aktuellen Zahlen angeschaut: Bei den Geräten mit der neuen Technik gab es bis zum 25. August mehr als 15.000 Meldungen. Das heißt aber nicht, dass es so viele Gefährdungen gab. Erfreulich: es sind keine Übergriffsversuche auf Opfer bekannt.

Wenn das Gesetz bundesweit ausgerollt wird, wird sich die Zahl der Meldungen erhöhen. Wie will die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL) im hessischen Weiterstadt das bewältigen?

Da haben wir bei der letzten Justizministerkonferenz vorgesorgt und im Kreis der Länder vereinbart, einen neuen Staatsvertrag auszuarbeiten. Es wird eine größere GÜL geben, die dann die Fußfesseln im Rahmen der Führungsaufsicht sowie nach Polizeirecht und Gewaltschutzgesetz überwachen wird.

Wie sind die Rückmeldungen der Menschen, die geschützt werden?

Die Opfer melden uns zurück, dass sie sich mit der neuen Technik viel freier und sicherer bewegen können. Sie wissen, egal, wo sie sich aufhalten, dass sie immer gewarnt werden, wenn sich ihnen der Fußfessel-Träger nähert. Die klassische Fußfessel kennt nur starre Verbots- und Gebotszonen wie die Wohnung, Arbeitsstelle oder Kita. Das spanische Modell schützt ortsflexibel, wenn die zu schützende Person freiwillig das handyähnliche Gerät trägt, das sie rechtzeitig warnt, wenn sich der Fußfessel-Träger dem Opfer nähert. Das Opfer nimmt die Schutzzone quasi immer mit. Aus meiner Sicht ist es ein voller Erfolg.

Transparenzhinweis:
Der WEISSE RING fordert seit Jahren von der Bundesregierung, den Einsatz der Fußfessel nach spanischem Modell bundesweit zu ermöglichen, und hat mehrere Brandbriefe an die Politik geschrieben.