Archiv für März, 2025

Auch Schleswig-Holstein bekämpft häusliche Gewalt mit „spanischer Fußfessel“

Erstellt am: Montag, 31. März 2025 von Gregor

Union und SPD wollen die spanische Variante der Fußfessel im Bund einführen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Datum: 31.03.2025

Auch Schleswig-Holstein bekämpft häusliche Gewalt mit „spanischer Fußfessel“

Nachdem der Landtag eine Gesetzesreform beschlossen hat, kann die elektronische Fußfessel nach spanischem Modell in Schleswig-Holstein eingesetzt werden. Die Landesregierung verspricht sich davon einen besseren Schutz. Die Zahl der Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, ist auch im Norden gestiegen.

Kiel/Mainz. Im Kampf gegen häusliche Gewalt setzen die Bundesländer zunehmend auf die elektronische Fußfessel nach spanischem Vorbild. Kürzlich hat der schleswig-holsteinische Landtag mit breiter Mehrheit – nur die FDP stimmte nicht zu – eine entsprechende Gesetzesreform verabschiedet. Bislang konnte die sogenannte Aufenthaltsüberwachung in dem Bundesland nur bei terroristischen Gefährdern genutzt werden, künftig ist das auch bei Partnerschaftsgewalt und Stalking möglich. Voraussetzung ist ein richterlicher Beschluss. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) sagte in Kiel, die Fußfessel werde Lücken beim Schutz schließen und diesen verbessern.

Wie bundesweit ist in Schleswig-Holstein die Zahl der von häuslicher Gewalt Betroffenen gestiegen, im vergangenen Jahr um 8,8 Prozent auf 9.360. Gut 71 Prozent der Opfer waren Frauen. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor.

Beim spanischen Modell kann die Fußfessel des Täters mit einer GPS-Einheit kommunizieren, die das Opfer bei sich trägt. Dadurch wird sowohl der Standort des Täters als auch der Betroffenen überwacht, und die Sperrzonen sind nicht fest, sondern dynamisch. Der Alarm wird ausgelöst, falls sich der Überwachte und das Opfer einander nähern.

In Spanien wurde keine der geschützten Frauen getötet

Sachsen und Hessen setzen die neue Technik schon ein. Das Saarland hat ein Gesetz dafür verabschiedet, und in weiteren Bundesländern wird derzeit darüber diskutiert, etwa in Niedersachsen, wo ein Gesetzentwurf in Arbeit ist.

Die noch amtierende Bundesregierung hatte zu Jahresbeginn ein neues Gewaltschutzgesetz auf den Weg gebracht, das die elektronische Aufenthaltsüberwachung vorsieht. Der alte Bundestag hat den Entwurf jedoch nicht mehr beschlossen. Laut dem Papier könnten Familiengerichte in Risikofällen für drei Monate eine Fußfessel anordnen und die Maßnahme um drei Monate verlängern.

Der WEISSE RING hatte sich auf Bundes- und Länderebene intensiv für die elektronische Fußfessel nach spanischem Modell eingesetzt, unter anderem mit Brandbriefen an die Bundesregierung und einer Petition.

Die Redaktion des WEISSER RING Magazins hatte in einer umfassenden Recherche aufgezeigt, wie der Staat Menschen besser vor häuslicher Gewalt schützen könnte und wie erfolgreich die Aufenthaltsüberwachung in Spanien eingesetzt wird: Dort wurde seitdem keine Frau, die mit Hilfe der Fußfessel geschützt wurde, getötet. Insgesamt ging die Zahl der getöteten Frauen um 25 Prozent zurück.

True Crime: CSU fordert „verbesserten Opferschutz“

Erstellt am: Donnerstag, 27. März 2025 von Karsten
Der Bayerische Landtag in München ist abgebildet. Davor stehen drei große Flaggen: Europa, Deutschland und Bayern. Der Landtag beschäftigt sich jetzt mir dem True-Crime-Boom.

Der True-Crime-Boom und seine Folgen für Verbrechensopfer sind jetzt auch Thema im Bayerischen Landtag in München. Foto: Matthias Balk/dpa

Datum: 27.03.2025

True Crime: CSU fordert „verbesserten Opferschutz“

Wenn Medien wahre Verbrechen zu Unterhaltungszwecken aufbereiten, begeistert das ein Publikum – aber es belastet oft die Opfer schwer. In Bayern schaltet sich nun die Politik ins Thema True Crime ein.

München/Mainz – True Crime boomt, Geschichten über „wahre Verbrechen“ begeistern ein stetig wachsendes Publikum. Zu wahren Verbrechen gehören aber auch wahre Verbrechensopfer, und für die bedeutet der True-Crime-Boom: Sie müssen immer häufiger hilflos mit anschauen, wie ihre oftmals traumatisierenden Erlebnisse zu Unterhaltungszwecken für Film, Podcast, Zeitung oder Live-Show aufbereitet werden.

Die CSU stellt sich nun demonstrativ an die Seite der Betroffenen: In einem Antrag an den Bayerischen Landtag fordern 23 namentlich genannte Abgeordnete die Staatsregierung auf, sich im Bund für einen „verbesserten Opferschutz“ bei True-Crime-Formaten einzusetzen. Vor allem bei Show-Veranstaltungen solle künftig dem postmortalen Persönlichkeitsrecht und den Interessen von Angehörigen mehr Rechnung getragen werden. „Dies gilt insbesondere, wenn nahe Verwandte unter der Darstellung stark leiden“, heißt es in der Beschlussvorlage.

Anlass des Antrags ist die Live-Show zum „Bayern 3 True Crime“-Podcast des Bayerischen Rundfunks (BR), die zurzeit durch Deutschland, Österreich und die Schweiz tourt und bereits Zehntausende zahlende Zuschauer erreichte. Wie das WEISSER RING Magazin berichtete, haben die Moderatoren Jacqueline Belle und Dr. Alexander Stevens unter dem Titel „Tödliche Liebe“ rund um einen realen Mordfall aus dem Jahr 2012 ein auf Unterhaltung getrimmtes Abendprogramm präsentiert, in dem das Saalpublikum nicht nur viel zu lachen hat, sondern auch interaktiv per Smartphone über Schuld oder Unschuld des rechtskräftig verurteilten Mörders abstimmen darf. Die Familie des Mordopfers leide stark unter dem Geschehen, schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag. Die derzeitige rechtliche Regelung des Opferschutzes greife zu kurz in solchen Fällen.

Tatsächlich erlischt das Persönlichkeitsrecht mit dem Tod des Opfers. Lediglich das Recht am eigenen Bild bleibt noch für eine Frist von zehn Jahren bestehen, bevor es ebenfalls verfällt – anders als die Rechte des lebendigen Täters. „Da der Opferschutz nicht hinter dem Täterschutz zurückbleiben darf, ist eine Änderung der Rechtsgrundlagen angezeigt“, begründen die Abgeordneten ihren Antrag. Ihr Vorschlag: „Eine Möglichkeit könnte sein, die Beweislast für einen sorgfältigen Umgang mit Persönlichkeitsrechten den Medien und nicht den Betroffenen aufzuerlegen.“

Initiator des Antrags ist der Straubinger Landtagsabgeordnete Josef Zellmeier (60). Er kennt die im Jahr 2012 von dem Mord betroffene Familie seit vielen Jahren persönlich und sagte auf Nachfrage des WEISSEN RINGS: „Ich habe die schlimme Belastung sehr nah erlebt. Dass der Fall so jetzt wieder aufgegriffen wird, finde ich fürchterlich.“ Es sei ihm wichtig, dass die betroffene Familie, aber auch der Bayerische Rundfunk sehe, dass die Politik hier im Sinne der Opfer tätig werde.

Der Antrag habe die zuständigen Ausschüsse bereits passiert und gehe nun zeitnah ins Plenum zur Abstimmung, was laut Zellmeier eher eine Formsache sein sollte. Mit der Zustimmung würde sich zwar die Rechtslage für die Betroffenen noch nicht ändern, aber die Bayerische Staatsregierung erhielte den Arbeitsauftrag, das Thema in den Bund zu tragen. Sie könnte dort zum Beispiel eine Bundesratsinitiative starten oder Kontakt zum Bundesjustizministerium suchen.

Zuletzt hatte der bekannte Medienanwalt Prof. Dr. Christian Schertz den Gesetzgeber im Interview mit dem WEISSER RING Magazin aufgefordert, mit Blick auf den Boom von True-Crime-Formaten ein postmortales Persönlichkeitsrecht zu schaffen, „was derlei Ausschlachtungen von menschlichen Tragödien untersagt“. Schertz nannte es eine „geradezu perverse und schier unerträgliche Situation, dass die Mörder aufgrund ihrer Persönlichkeitsrechte und nach Haftverbüßung aufgrund des dann bestehenden Rechts auf Resozialisierung oftmals nicht mehr identifizierend dargestellt werden dürfen mit Namen und Bild – die Persönlichkeitsrechte der Opfer aber erlöschen, weil sie verstorben sind, weil sie ermordet wurden“.

Nach der öffentlichen Kritik an ihrer Show haben die Veranstalter von „Tödliche Liebe“ angekündigt, den aktuell behandelten Mordfall herausnehmen und durch einen anderen Kriminalfall zu ersetzen. Das bestätigte der Bayerische Rundfunk auf Anfrage des WEISSER RING Magazins. Auf die Frage, wann dies geschehen soll und ob bis zu diesem Zeitpunkt weiter der Fall von 2012 den Show-Mittelpunkt bilde, teilte eine BR-Sprecherin lediglich mit: „Der Veranstalter hat uns versichert, den Fall zum nächstmöglichen Termin auszutauschen.“ Die Sprecherin teilte zudem mit, dass künftig bei den im „Bayern 3 True Crime“-Podcast behandelten Fällen „die Interessen der Betroffenen insbesondere in Bezug auf Persönlichkeitsrechte und Opferschutz geprüft werden“.

Nachtrag:
Der Landtag hat den Antrag in seiner Sitzung am 1. April 2025 beschlossen.

WEISSER RING und Bundeskriminalamt zeichnen herausragende Forschung zum Opferschutz aus

Erstellt am: Donnerstag, 27. März 2025 von Sabine

Glückliche Preisträger im Biebricher Schloss in Wiesbaden. Foto: Lena Everding

Datum: 27.03.2025

WEISSER RING und Bundeskriminalamt zeichnen herausragende Forschung zum Opferschutz aus

Der WEISSE RING e. V. und das Bundeskriminalamt (BKA) verleihen zum zweiten Mal den „Wissenschaftspreis Opferschutz“ in feierlichem Rahmen im Schloss Biebrich in Wiesbaden. Mit der Auszeichnung wird das wissenschaftliche Engagement im Bereich des Opferschutzes gewürdigt und die Sichtbarkeit der Belange von Betroffenen in der Bevölkerung erhöht.

Wiesbaden/Mainz – Der WEISSE RING e.V. und das Bundeskriminalamt (BKA) verleihen zum zweiten Mal den „Wissenschaftspreis Opferschutz“ in feierlichem Rahmen im Schloss Biebrich in Wiesbaden. Mit der Auszeichnung wird das wissenschaftliche Engagement im Bereich des Opferschutzes gewürdigt und die Sichtbarkeit der Belange von Betroffenen in der Bevölkerung erhöht. Die Preisverleihung findet unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein statt.

In diesem Jahr steht das Thema Menschenhandel im Fokus der Preisverleihung. Das BKA leistet sowohl mit der Forschung im Kriminalistischen Institut als auch mit der Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität einen Beitrag zur Bekämpfung von Menschenhandel. Das Dunkelfeld in diesem Deliktsbereich ist jedoch hoch, Betroffene zeigen aus Scham und Ohnmacht Straftaten oftmals nicht an. Daher ist es wichtig, die wissenschaftliche Perspektive mit der polizeilichen Praxis zu verbinden.

Der Wissenschaftspreis geht in diesem Jahr an Prof. Dr. Tillmann Bartsch, Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Nora Labarta Greven und Marco Kubicki für ihre Arbeit „Straffreiheit für Straftaten von Opfern des Menschenhandels? Zur Umsetzung des Non-Punishment-Prinzips in Recht und Praxis“. Die Studie befasst sich mit dem „Non-Punishment-Prinzip“, nach dem Opfer von Menschenhandel für Straftaten, die sie in der Menschenhandelssituation begangen haben, unter bestimmten Voraussetzungen nicht bestraft werden sollen. Die Forschungsarbeit verbindet eine rechtsdogmatische Analyse mit einer empirisch-kriminologischen Betrachtung der Anwendungspraxis und kommt zu dem Schluss, dass das Prinzip im deutschen Strafrecht bislang unzureichend umgesetzt ist.

»Wir sehen in der Polizeilichen Kriminalstatistik seit einigen Jahren steigende Opferzahlen«, betonte Helen Albrecht, Vizepräsidentin des Bundeskriminalamtes, in ihrer Rede. »Und das ist nur das Hellfeld: Viele Opfer zeigen eine gegen sie gerichtete Straftat nicht an – aus Angst vor der Tatperson, aus Scham oder weil sie sich gar nicht als Opfer wahrnehmen. Mit dem Wissenschaftspreis Opferschutz wollen wir all diesen Menschen symbolisch ein Gesicht geben und die Prävention von Opferwerdung ebenso wie die Verbesserung des Opferschutzes in Deutschland stärken. Die ausgezeichneten Arbeiten leisten einen bedeutenden Beitrag dazu.«

Eine Aussage vor Gericht ist für viele Verletzte besonders belastend. Bild: picture alliance/epd-bild/Heike Lyding

„Verfahren sollten so opfersensibel wie möglich gestaltet werden“

Dr. Marius Riebel, Gewinner des Wissenschaftspreises, erklärt im Interview, wie die Interessen von Betroffenen besser berücksichtigt werden könnten.

Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS, fügt hinzu: »Es ist wichtig, dass sich Menschen, die Opfer von Menschenhandel werden oder geworden sind, trauen, Hilfe zu suchen und sich nicht aufgrund der Angst vor Strafe dagegen entscheiden. Genau dafür gibt es das Non-Punishment-Prinzip, das unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine Strafbefreiung im Falle schwerer Delikte gewährleistet. Die Autorinnen und Autoren haben sich hier einem Thema gewidmet, das bisher in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit bekommen hat. Jetzt liegt es an der Politik und den Behörden, Lehren aus der Arbeit zu ziehen und den oftmals schwer geschädigten Betroffenen endlich den Schutz zu gewähren, der ihnen zusteht.«

Der Nachwuchspreis wird an Marius Riebel für seine Dissertation „Verletzteninteressen im Kontext des staatlichen Umgangs mit Straftaten“ verliehen. Seine Arbeit analysiert die Bedürfnisse und Erwartungen von Straftatopfern im Rahmen von Strafverfahren und stellt dabei auch in Frage, ob es Betroffenen von Straftaten um eine möglichst harte Bestrafung von Täterinnen und Tätern geht.

Viele von Menschenhandel Betroffene werden zum Betteln gezwungen. Bild: picture alliance/Geisler-Fotopress

„Es ist wichtig, Brücken für Betroffene von Menschenhandel zu bauen“

Im Interview spricht Professor Tillmann Bartsch über die schwierige Situation von Opfern von Menschenhandel.

Besonders Frauen werden im Netz zu Opfern

Erstellt am: Freitag, 21. März 2025 von Sabine

Foto: Christian J. Ahlers

Datum: 21.03.2025

Besonders Frauen werden im Netz zu Opfern

Frauen, die heute Opfer von Partnerschaftsgewalt werden, leiden oft doppelt: Zusätzlich zur physischen kommt in vielen Fällen auch noch die digitale Gewalt.

Mainz – Frauen, die heute Opfer von Partnerschaftsgewalt werden, leiden oft doppelt: Zusätzlich zur physischen kommt in vielen Fällen auch noch die digitale Gewalt. Ex-Partner stalken sie online weiter, greifen persönliche Daten ab, stellen intime Fotos ins Netz oder missbrauchen die Identität der Frau in den sozialen Medien, um ihren Ruf zu schädigen. So etwas trifft nicht nur, aber vor allem Frauen. Daher möchte der WEISSE RING dieses Thema am 22. März 2025, dem „Tag der Kriminalitätsopfer“, besonders hervorheben – und informieren, wie jeder sich vor digitaler Gewalt schützen kann.

62 Prozent der Opfer sind weiblich

Digitale Gewalt ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche, teilweise kriminelle Handlungen im Internet. Nach aktuellen Zahlen des BKA sind 62,3 Prozent der Opfer digitaler Gewalt weiblich. Eine Studie der gemeinnützigen Organisation HateAid und der TU München konnte zudem bestätigen, dass Frauen, die sich politisch engagieren, öfter von digitaler Gewalt betroffen sind (63 Prozent) als ihre männlichen Kollegen (53 Prozent). Fast ein Viertel der weiblichen Betroffenen hat schon einmal Androhungen physischer sexueller Gewalt erhalten, zum Beispiel Vergewaltigungsdrohungen (bei Männern sind es nur 3 Prozent). Das Ausmaß der digitalen Gewalt führt dazu, dass vor allem Frauen ans Aufhören denken.

Hintergrund-Info

Seit 1991 macht der WEISSE RING mit dem „Tag der Kriminalitätsopfer“ alljährlich am 22. März auf Menschen aufmerksam, die durch Kriminalität und Gewalt geschädigt wurden. Er soll das Bewusstsein für Opferbelange in Deutschland stärken und Informationen zu Prävention, Schutz und praktischen Hilfen geben. Inzwischen ist der Aktionstag fester Bestandteil im Kalender von Institutionen aus den Bereichen Politik, Justiz und Verwaltung, aber auch Vereinen und Schulen geworden. Traditionell beteiligen sich in ganz Deutschland ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Außenstellen des WEISSEN RING mit Aktionen und Info-Veranstaltungen am Tag der Kriminalitätsopfer.

Keine Einsparungen auf Kosten der Betroffenen von sexualisierter Gewalt!

Erstellt am: Freitag, 14. März 2025 von Sabine

Datum: 14.03.2025

Keine Einsparungen auf Kosten der Betroffenen von sexualisierter Gewalt!

Seit 2013 ist das Ergänzende Hilfesystem (EHS) und damit auch der Fonds Sexueller Missbrauch (FSM) eine zentrale Unterstützung für Betroffene von sexualisierter Gewalt und unverzichtbarer Bestandteil des Unterstützungssystems.

Mainz – Seit 2013 ist das Ergänzende Hilfesystem (EHS) und damit auch der Fonds Sexueller Missbrauch (FSM) eine zentrale Unterstützung für Betroffene von sexualisierter Gewalt und unverzichtbarer Bestandteil des Unterstützungssystems. Laut „Richtlinie für die Gewährung von Hilfen des Bundes für Betroffene sexueller Gewalt“ der Bundesregierung wird das EHS und damit auch der FSM nach dem 31.12.2028 nicht fortgeführt. Erstanträge von Betroffenen sexualisierter Gewalt sind dann nur noch bis 31.08.2025 möglich und Bewilligungen können nur bis zum 31.12.2025 erteilt werden. Faktisch erfolgt damit die Einstellung von EHS und FSM, die verheerende Folgen für Betroffene hat.

Bundesarbeitsgemeinschaft Feministischer Organisationen gegen Sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen e.V. info@bag-forsa.de
www.bag-forsa.de
Tel: 0711–85 70 68

Das kritisieren BAG FORSA, bff, BKSF, DGfPI und WEISSER RING: Der Fonds Sexueller Missbrauch muss dauerhaft fortgeführt und strukturell abgesichert werden. Die Bundesregierung ist aufgefordert, die Richtlinien für den FSM entsprechend anzupassen und eine nachhaltige Lösung sicherzustellen, um Betroffene weiterhin angemessen zu unterstützen. Eine ersatzlose Einstellung des Fonds darf es nicht geben.

Konkret fordern wir die Bundesregierung auf:

Bundeskoordinierung
Spezialisierter Fachberatung
gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend
info@bundeskoordinierung.de
www.bundeskoordinierung.de
Tel: 030-8891 6866
  • Die „Richtlinie für die Gewährung von Hilfen des Bundes für Betroffene sexueller Gewalt“ muss sofort und grundsätzlich geändert werden.
  • Die Frist 31.08.2025 für die Antragsstellung (Erstantrag) muss umgehend aufgehoben werden.
  • Es muss sichergestellt werden, dass bei einem voraussichtlich hohen Aufkommen von Erstanträgen ausreichend finanzielle Mittel für die Bearbeitung und Bewilligung dieser vorhanden sind.
  • Solange es keine adäquaten Alternativen zur niedrigschwelligen Unterstützung Betroffener sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend gibt, muss der Fonds unbedingt fortgeführt werden. Vor der Einstellung muss zunächst sichergestellt sein, dass ein alternatives System für den Fonds funktioniert.
Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V.
info@bv-bff.de
www.frauen-gegen-gewalt.de
Tel: 030-32299500

Das niedrigschwellige EHS gewährleistet die tatsächliche Unterstützung von Betroffenen. Im Gegensatz zu dem im Jahr 2024 in Kraft getretenen neuen Sozialen Entschädigungsrecht (SGB XIV), das in der Praxis schwer zugänglich ist und mit bürokratischen Hürden eine unüberwindbare Belastung darstellen kann. Insbesondere für Menschen, die über das gesetzliche Leistungssystem bislang Ablehnungen erhalten haben, trägt diese bedeutende Form der Anerkennung entscheidend zur Linderung des Leids bei. Die Möglichkeit individueller, anhand tatsächlicher Bedürfnisse fortentwickelten Hilfeleistungen wird von Betroffenen häufig in Anspruch genommen. 2023 hat sich das Aufkommen von Erstanträgen erneut gesteigert (21 Prozent) und zeigt den ungebrochen hohen Bedarf. Daher ist es dringend erforderlich, das EHS als ergänzende niedrigschwellige Hilfe aufrechtzuerhalten. [Fonds Sexueller Missbrauch – Jahresbericht 2023]

Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention
bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt e.V.
info@dgfpi.de
www.dgfpi.de
Tel:  0211 – 497 680-0 

Solange der Staat es nicht schafft, Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen, muss er zumindest eine wirksame und funktionierende Unterstützung aufrechterhalten. Wir rechnen zudem mit weiteren Problemen durch ein absehbar hohes Aufkommen von Anträgen. Für die Bewilligung von Anträgen muss Geld im Haushalt eingestellt sein. Wenn diese Gelder aufgebraucht sind, muss gewährleistet werden, dass dennoch weitere Anträge bewilligt werden können und entsprechende Mittel dafür eingestellt werden. Berechtigt besteht ein Grund zur Annahme, dass die Bewilligung von Anträgen bereits vor dem 31.08.2025 eingestellt wird und dadurch vielen Betroffenen zentrale Unterstützungsleistungen verwehrt werden.

Warum Femizide in Italien ein eigener Straftatbestand werden

Erstellt am: Donnerstag, 13. März 2025 von Sabine

Rote Schuhe stehen als Protestaktion gegen Femizide auf einem Platz. Foto: Marius Burgelman/Belga/dpa

Datum: 13.03.2025

Warum Femizide in Italien ein eigener Straftatbestand werden

In Italien sollen Femizide zukünftig als eigener Straftatbestand im Gesetzbuch verankert werden. Zudem soll als Standardstrafmaß "lebenslänglich" gelten. Ein Vorbild für Deutschland?

Mailand/Mainz – Ein Vorbild für Deutschland? In Italien sollen Femizide – also Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts – zukünftig als eigener Straftatbestand im Gesetzbuch verankert werden. Zudem soll als Standardstrafmaß „lebenslänglich“ gelten. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat die italienische Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zum internationalen Weltfrauentag am 8. März vorgelegt.

Der Entwurf erkenne „die Asymmetrie der Macht zwischen Männern und Frauen“ an, sagte die italienische Familienministerin Eugenia Roccella nach einer Kabinettssitzung. Aktuell werden Femizide in Italien als eine Form von Mord geahndet. Erschwerende Umstände bei der Bemessung der Strafe werden bei einem Mord an einer Frau nur dann anerkannt, wenn der Mörder mit dem Opfer verheiratet oder verwandt war. Das italienische Innenministerium zählte 113 Femzide im Jahr 2024, 61 davon wurden durch aktuelle oder frühere Partner begangen.

Opferorganisationen fordern mehr Prävention

Die Verabschiedung im Parlament gilt als sicher, denn nicht nur die Regierungs-, sondern auch die Oppositionsparteien unterstützen das Vorhaben. In dem Entwurf heißt es weiter: „Wer den Tod einer Frau verursacht, wenn die Tat als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt wird, wird mit lebenslanger Haft bestraft.“

Opferorganisationen beklagen allerdings, dass die Rechtsaußen-Regierung von Meloni lediglich auf Abschreckung durch Strafe setze und keine präventiven Maßnahmen ergreife. Sie fordern zum Beispiel mehr Aufklärung in Schulen.

Neben der Strafverschärfung bei Femiziden sollen zukünftig auch Fälle von Misshandlung, Stalking, sexueller Gewalt und „Rachepornografie“ zukünftig härter bestraft werden. Als Racheporno bezeichnet man intime Videos oder Bilder einer anderen Person, die im Rahmen eines Racheaktes, beispielsweise nach einer Trennung, im Netz veröffentlicht werden.

Laute Proteste nach Femiziden

Im November 2023 erschütterte der Fall der Studentin Giulia Cecchettin (Bericht auf tagesschau.de) Italien. Die 22-Jährige wurde von ihrem Ex-Freund und Kommilitonen Filippo T. ermordet, weil sie ihn verlassen hatte. T. hatte das Delikt akribisch geplant – ganz so wie sechs Monate zuvor Alessandro I. Der 31-jährige Barkeeper tötete seine schwangere Freundin mit zahlreichen Messerstichen, nachdem er sich in den Monaten zuvor im Internet ausführlich über Giftmorde informiert hatte. Beide Täter erhielten auf Grundlage der schon geltenden Normen eine lebenslange Freiheitsstrafe.

In Deutschland sind Femizide bisher kein eigener Straftatbestand, sie werden als Mord oder Totschlag angeklagt. Im Jahr 2023 wurden hierzulande 155 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang – demgegenüber stehen 24 männliche Opfer.

Seit Jahren stagnieren die Zahlen auf hohem Niveau. Der WEISSE RING setzt sich deshalb für die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung nach dem spanischen Modell ein.

Der wesentliche Unterschied zum bisherigen Einsatz der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung besteht darin, dass keine vordefinierten, festen Verbotszonen überwacht werden, sondern sich das zu schützende Opfer in Bewegung befindet. Damit werden Frauen auch außerhalb ihrer Wohnung vor Zufallsbegegnungen mit dem Täter im Alltag gewarnt.

Das spanische Erfolgsmodell rettete Hunderte Leben

In Spanien ist die Zahl getöteter Frauen seit der Fußfessel-Einführung um 25 Prozent zurückgegangen, statistisch könnten in Deutschland demnach jedes Jahr etwa 40 Frauen durch die Fußfessel gerettet werden. Die Technologie ist auch in der Bundesrepublik vorhanden, ausgereift und einsatzbereit.

Zu Jahresbeginn stimmte der Bundesrat einer hessischen Initiative zum besseren Schutz vor häuslicher Gewalt zu. Dazu soll unter anderem das spanische Modell der elektronischen Fußfessel bundesweit im Gewaltschutzgesetz verankert werden. Einen Zeitrahmen gibt es dafür bisher jedoch nicht. Auf Länderebene setzen bereits Sachsen und Hessen das spanische Modell ein, Abgeordnete im Saarland haben einen entsprechenden Antrag gestellt.

In einem exklusiven Interview mit der Redaktion des WEISSEN RINGS erklärte die Staatsanwältin Teresa Peramato den Erfolg des spanischen Modells für den Opferschutz, die abschreckende Wirkung und das Sicherheitsgefühl der teilnehmenden Frauen.