Was die Koalition bei Opferhilfe und Prävention plant

Erstellt am: Freitag, 11. April 2025 von Gregor
Im Kampf gegen Gewalt an Frauen setzt die Koalition unter anderem auf die Einführung der Fußfessel nach dem Vorbild Spaniens. Foto: dpa

Im Kampf gegen Gewalt an Frauen setzt die Koalition unter anderem auf die „spanische Fußfessel“. Foto: dpa

Datum: 11.04.2025

Was die Koalition bei Opferhilfe und Prävention plant

Mit „Verantwortung für Deutschland“ haben Union und SPD ihren jetzt vorgestellten Koalitionsvertrag überschrieben. Die Pläne in dem 144 Seiten umfassenden Papier stehen „unter Finanzierungsvorbehalt“. Doch der Vertrag gibt die Leitlinien für die voraussichtliche Regierung vor, auch bei Themen wie Gewaltschutz. Was kündigen die Parteien an – und wie steht der WEISSE RING zu den Plänen?

Gewalt gegen Frauen

Das Bündnis verspricht, das Gewalthilfegesetz – das ab 2032 einen Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung für Frauen und Kinder vorsieht – umzusetzen und die Gewaltschutzstrategie des Bundes zu einem „Nationalen Aktionsplan“ zu erweitern. Die Präventions-, Aufklärungs- und Täterarbeit solle verstärkt werden.

Weiter heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir verschärfen den Tatbestand der Nachstellung und den Strafrahmen für Zuwiderhandlungen nach dem Gewaltschutzgesetz und schaffen bundeseinheitliche Rechtsgrundlagen im Gewaltschutzgesetz für die gerichtliche Anordnung der elektronischen Fußfessel nach dem sogenannten Spanischen Modell und für verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter.“ Den Stalking-Paragraphen will die Koalition um das Verwenden von GPS-Trackern erweitern. Diese werden häufig missbraucht, um Frauen zu belästigen und zu kontrollieren.

Laut den jüngsten Zahlen für häusliche Gewalt waren im Jahr 2023 mehr als 70 Prozent der Betroffenen Frauen und Mädchen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Wert um 5,6 Prozent auf 180.715 (2022: 171.076), teilte das Bundesfamilienministerium mit. Insgesamt wurden 360 Mädchen und Frauen getötet.

Um geflüchtete Frauen besser vor Gewalt zu bewahren, will die Regierung die Residenzpflicht und Wohnsitzauflage lockern. Diese hindern Betroffene oft daran, vom Täter wegzuziehen.

Den Strafrahmen für Gruppenvergewaltigungen möchte die Koalition erhöhen und prüfen, inwiefern sich „offensichtlich unerwünschte und erhebliche verbale und nicht-körperliche sexuelle Belästigungen“ härter bestrafen lassen.

 

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

Den Fonds Sexueller Missbrauch und das damit verbundene Ergänzende Hilfesystem (EHS), die Betroffenen eine wichtige, niedrigschwellige Unterstützung bieten, „führen wir unter Beteiligung des Betroffenenrats fort“, schreibt die Koalition. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen, ist allerdings noch ungewiss.

Die Umsetzung des UBSKM-Gesetzes (Unabhängige Beauftragte für Sexuellen Kindesmissbrauch) will Schwarz-Rot gemeinsam mit den Ländern, Trägern und Einrichtungen unterstützen, vor allem im Hinblick auf die Pflicht der Institutionen, Missbrauchsfälle aufzuarbeiten und Schutzkonzepte zu schaffen.

Die sogenannten Childhood-Häuser in den Ländern – regionale, interdisziplinäre Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche, die Gewalt erfahren haben – möchte die Koalition mit Bundesmitteln fördern. Im Sorge- und Umgangsrecht soll häusliche Gewalt künftig stärker zu Lasten des Täters berücksichtigt werden; sie stelle eine Kindeswohlgefährdung dar.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die geplante Strategie „Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt“. Ziel sei es, Eltern durch Wissensvermittlung zu stärken und Anbieter in die Pflicht zu nehmen. Schwarz-Rot will sich für eine verpflichtende Altersnachweise und sichere Voreinstellungen bei digitalen Geräten und Angeboten einsetzen.

  • Der WEISSE RING begrüßt die Pläne grundsätzlich, betont aber, auch hier sei die konkrete Ausgestaltung entscheidend.

 

Schutz und Unterstützung für Opfer

Die schon bestehende Kommission zur Reform des Sozialstaates, in der Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten, wird voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres ihre Ergebnisse präsentieren. Als Ziele geben Union und SPD etwa „Entbürokratisierung“, „massive Rechtsvereinfachung“ und „rascheren Vollzug“ aus. Sozialleistungen könnten zusammengelegt und pauschalisiert werden.

  • Der WEISSE RING gibt zu bedenken, dass dies auch zu Sparmaßnahmen und aufgrund der Pauschalisierung zu weniger „Einzelfallgerechtigkeit“ führen könnte.

Die Länge von Gerichtsverfahren soll möglichst verkürzt werden, „indem wir unter anderem den Zugang zu zweiten Tatsacheninstanzen begrenzen“, erklären Union und SPD. Bei Strafprozessen stellt die Koalition einen besseren Opferschutz in Aussicht; die audiovisuelle Vernehmung von minderjährigen Zeugen soll erleichtert werden.

  • Nach Auffassung des WEISSEN RINGS kann es je nach Fall sicherlich sinnvoll sein, den Instanzenzug zu begrenzen, es bedeutet aber immer auch eine Beschneidung des rechtlichen Gehörs. Eine Verbesserung des Opferschutzes wäre sehr gut, die genauen Pläne sind aber noch unklar.

Psychotherapeutische Angebote, die auch für Opfer von Straftaten wichtig sind, möchte die kommende Regierung ausbauen, gerade im ländlichen Raum. Dazu plant sie zum Beispiel eine Notversorgung durch Psychotherapeuten, wohnortnahe psychosomatische Institutsambulanzen und mehr digitale Behandlungsmöglichkeiten. Ein wesentliches Ziel sei, die Resilienz von Kindern und Jugendlichen zu stärken.

 

Innere Sicherheit

Die Koalition kündigt eine „Sicherheitsoffensive“ an, mithilfe von „zeitgemäßen digitalen Befugnissen“ und ausreichend Personal in den Behörden.

Zu den angekündigten Maßnahmen zählt eine dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern, um Anschlussinhaber identifizieren zu können. Die Telefonüberwachung beim Wohnungseinbruchsdiebstahl soll leichter, die Funkzellenabfrage umfassender möglich sein.

Ein weiteres Vorhaben hängt mit Anschlägen wie in Mannheim und Aschaffenburg in diesem Jahr zusammen: „Zur Verhinderung weiterer Gewalttaten, wie in der jüngsten Vergangenheit, wollen wir die frühzeitige Erkennung entsprechender Risikopotenziale bei Personen mit psychischen Auffälligkeiten sicherstellen. Hierzu führen wir eine gemeinsame Risikobewertung und ein integriertes behördenübergreifendes Risikomanagement ein.“

Um im Vorfeld Terrorangriffen, die mit „Alltagsgegenständen“ begangen werden, besser entgegenzuwirken, will Schwarz-Rot die Anwendung von Paragraf 89a im Strafgesetzbuch (StGB) – Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – ausweiten: auf den Fall, dass der Täter keinen Sprengstoff, sondern Gegenstände wie ein Messer oder ein Auto benutzen will.

Mit „allen Betroffenen und Experten“ beabsichtigt die Koalition, das Waffenrecht zu evaluieren und gegebenenfalls zu ändern, um zu verhindern, dass Menschen illegal Waffen besitzen oder Extremisten und Menschen „mit ernsthaften psychischen Erkrankungen“ sich legal welche beschaffen können. Bei möglichen Gesetzesänderungen gilt: Das Recht soll „anwenderfreundlicher“ werden, zudem müsse bei den Vorgaben die „Verhältnismäßigkeit“ gewahrt bleiben.

  • Um Amokläufe mit Waffen zu unterbinden, werden die Maßnahmen wohl nicht reichen, befürchtet der WEISSE RING.

Im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität strebt die Koalition eine vollständige Beweislastumkehr beim Einziehen von Vermögen an, dessen Herkunft nicht geklärt ist.

Ausländische Personen, die schwere Straftaten begehen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, sollen in der Regel ausgewiesen werden, etwa bei Delikten gegen Leib und Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder bei einem tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte.

Zu den Ursachen der gestiegenen Kinder- und Jugendgewalt ist eine Studie, die auch mögliche Gesetzesänderungen untersucht, geplant.

 

Digitale Gewalt

Die Koalition verspricht ein „umfassendes Digitales Gewaltschutzgesetz“. Damit wolle sie die rechtliche Stellung von Betroffenen verbessern und Sperren für anonyme „Hass-Accounts“ ermöglichen. Sie will zudem prüfen, ob Opfer und Zeugen in Strafverfahren darauf verzichten können, ihre Anschrift anzugeben, wenn die Verteidigung Akteneinsicht beantragt.

Im Cyberstrafrecht gelte es, Lücken zu schließen, beispielsweise bei „bildbasierter sexualisierter Gewalt“. Das Gesetz soll auch Deepfake-Pornografie erfassen, bei der Bilder von Gesichtern prominenter und nicht-prominenter Menschen mit Hilfe von KI auf andere Körper montiert werden.

Online-Plattformen sollen „Schnittstellen zu Strafverfolgungsbehörden“ zur Verfügung stellen, damit Daten, die für Ermittlungsverfahren relevant sind, „automatisiert und schnell“ abrufbar sind. Die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Plattformen, die strafbare Inhalte nicht entfernen, sollen verschärft werden.

 

Angriffe auf die Demokratie

Die Koalition kündigt an, allen verfassungsfeindlichen Bestrebungen entschlossen entgegenzutreten, egal ob Rechtsextremismus, Islamismus, auslandsbezogenem Extremismus oder Linksextremismus.

Hierzu planen die Parteien unter anderem, den Tatbestand der Volksverhetzung zu verschärfen. Wer zum Beispiel mehrfach deswegen verurteilt wird, könnte in Zukunft das passive Wahlrecht verlieren. Zudem will Schwarz-Rot eine Strafbarkeit für Amtsträger und Soldaten prüfen, die in geschlossenen Chatgruppen in dienstlichem Zusammenhang antisemitische und extremistische Hetze teilen. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Fälle, die straffrei blieben: Gerichte vertraten die Auffassung, es handele sich um private Gruppen, wo es nicht strafbar sei, solche Inhalte zu verbreiten.

In den vergangenen Jahren haben die Angriffe auf Mandatsträger, Rettungs- und Einsatzkräfte sowie Polizisten deutlich zugenommen. Bei den politischen Amts- und Mandatsträgern stiegen die von der Polizei erfassten Attacken 2024 um 20 Prozent auf 4923. Deshalb wollen Union und SPD den „strafrechtlichen Schutz“ solcher Gruppen prüfen und eventuell erweitern. Darüber hinaus soll das Melderecht überarbeitet werden, um die Privatsphäre der Betroffenen besser zu schützen.

Zum zunehmenden Rechtsextremismus – allein bis zum 30. November 2024 wurden 33.963 Delikte im Bereich „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ und damit so viele wie noch nie registriert – schreibt die Koalition lediglich allgemein: „Der Polarisierung und Destabilisierung unserer demokratischen Gesellschaft und Werteordnung durch Rechtspopulisten und -extremisten setzen wir eine Politik der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Vielfalt, Toleranz und Humanität entgegen.“ Abgesehen von einem NSU-Dokumentationszentrum in Nürnberg werden kaum konkrete Maßnahmen genannt.

Im Kampf gegen Islamismus ist ein „Bund-Länder-Aktionsplan“ vorgesehen, zudem soll die „Task Force Islamismusprävention“ ein festes Gremium im Bundesinnenministerium werden und helfen, den Aktionsplan umzusetzen.

Mit Vereinen und Verbänden, die direkt oder indirekt von ausländischen Regierungen gesteuert und vom Verfassungsschutz beobachtet würden, werde der Bund nicht zusammenarbeiten. Sie sollen verpflichtet werden, offenzulegen, wie sie sich finanzieren.

Als weiteres Ziel gibt die Koalition die Sicherheit jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger an, sowohl im digitalen als auch im öffentlichen Raum, etwa an Schulen und Hochschulen. Hierzu sollen unter anderem Lehrer darin geschult werden, Antisemitismus zu erkennen und dagegen vorzugehen.

Projekte zur demokratischen Teilhabe sollen weiterhin vom Bundesförderprogramm „Demokratie leben!“ profitieren.

 

Diskriminierung

Die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle soll fortgeführt, der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus so überarbeitet werden, dass dieser „in seinen verschiedenen Erscheinungsformen“ bekämpft werden könne. Einen besonderen Schutz verspricht die Koalition nationalen Minderheiten, etwa der dänischen Minderheit oder den deutschen Sinti und Roma. Außerdem sollen alle unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung „gleichberechtigt, diskriminierungs- und gewaltfrei“ leben können. Dazu, heißt es, „wollen wir mit entsprechenden Maßnahmen das Bewusstsein schaffen, sensibilisieren und den Zusammenhalt und das Miteinander stärken“. Wie genau all dies geschehen soll, steht nicht im Vertrag.

Zwischen 2021 und 2023 waren mehr als 20.000 Fälle von Diskriminierung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldet worden. Die Unabhängige Bundesbeauftragte, Ferda Ataman, kritisierte, das deutsche Antidiskriminierungsrecht sei unzureichend.

 

Menschenhandel

„Deutschland ist zu einer Drehscheibe beim Menschenhandel geworden“, die Opfer seien fast ausschließlich Frauen, schreibt die Koalition am Anfang ihres Kapitels zum Prostituiertenschutzgesetz. Eine Evaluation über die Wirkung des Gesetzes soll bis Juli dieses Jahres vorgestellt werden. Bei Bedarf will das schwarz-rote Bündnis auf eine Experten-Kommission zurückgreifen, um gesetzlich nachzubessern.

  • Dass sich die Koalition dem Thema widmen will, ist nach Ansicht des WEISSEN RINGS positiv, aber auch hier ist die konkrete Umsetzung noch unklar.

Zu anderen Formen von Menschenhandel, etwa zur Ausbeutung der Arbeitskraft, sagt die Koalition nichts. Aus dem letzten Lagebild des Bundeskriminalamtes zu Menschenhandel und Ausbeutung geht hervor, dass 2023 319 Verfahren wegen sexueller Ausbeutung, 37 wegen Arbeitsausbeutung und 204 wegen Ausbeutung Minderjähriger geführt wurden. Experten gehen in diesem Bereich von einer hohen Dunkelziffer aus. Ein Grund dafür ist, dass Betroffene unter anderem aus Angst vor ihren Ausbeutern nur selten Anzeige erstatten.

„Aussage hat mich und meine Familie sehr befremdet“

Erstellt am: Donnerstag, 27. Februar 2025 von Sabine

Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Datum: 27.02.2025

„Aussage hat mich und meine Familie sehr befremdet“

Walter Lübcke war 2019 aufgrund seines Einsatzes für Geflüchtete von einem Rechtsextremisten erschossen worden. Seine Witwe Irmgard Braun-Lübcke kritisiert aktuelle Äußerungen von Merz und ruft zu Engagement für die Demokratie auf.

Mainz – „Die Aussage von Friedrich Merz am Samstag beim gemeinsamen Wahlkampfabschluss der CSU und CDU in München hat meine Familie und mich sehr befremdet und ich möchte sie so nicht stehen lassen“, schreibt Irmgard Braun-Lübcke, die Witwe des von einem Rechtsextremisten ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke, in einer aktuellen Stellungnahme. Anders als Merz behauptete, habe es nach der Ermordung ihres Mannes „ein starkes, gesellschaftlich breites Bekenntnis zu unserer Demokratie und ihren Werten“ gegeben.

Merz hatte bei seinem Auftritt als Spitzenkandidat der CDU gesagt: „Ich frage mal die Ganzen, die da draußen rumlaufen, Antifa und gegen Rechts: Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen? Wo waren die da?“

Braun-Lübcke stellt klar: In ihrer Heimatstadt Wolfhagen, in Kassel und in vielen weiteren Städten und Gemeinden in ganz Deutschland gingen viele Menschen auf die Straße – linke, liberale und konservative Demokraten: „Gemeinsam haben sie sich klar gegen Gewalt, Hass und Hetze sowie eindeutig für Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit positioniert. Dies gab uns als Familie sehr viel Kraft und zeigte, wir sind nicht allein, du bist nicht allein, wir treten gemeinsam ein für den Bestand unserer Demokratie“, erklärt die Frau des früheren Kasseler Regierungspräsidenten, die als Lehrerin arbeitete. Sie waren fast 40 Jahre verheiratet und haben zwei gemeinsame Söhne.

Engagierte Frau mit Haltung: Hier nimmt Irmgard Braun-Lübcke an einem Runden Tisch zu politisch motivierter Gewalt teil, bei dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Eröffnungsrede hielt. Foto: Annette Riedl/dpa

Walter Lübcke war 2019 aufgrund seines Einsatzes für Geflüchtete von einem Rechtsextremisten erschossen worden. Zuvor war im Netz gegen ihn gehetzt und zu Gewalt aufgerufen worden. Das Oberlandesgericht Frankfurt verurteilte den Mörder 2021 zu lebenslanger Haft und stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Während ihrer Aussage vor Gericht mahnte Irmgard Braun-Lübcke: „Aus Worten werden Taten.“

Jetzt stellt sie Merz’ Äußerungen und rhetorische Fragen nicht nur richtig, sondern sendet auch einen starken Appell: „Heute, in dieser schwierigen Zeit, in der so Vieles, was bisher selbstverständlich war, ins Wanken gerät oder keine Gültigkeit mehr hat, sind wir alle mehr denn je gefordert, insbesondere die Politik, die Menschen zusammenzuführen und gemeinsam für Werte einzutreten, wie es mein Mann getan hat.“

Noch mehr Attacken auf die Demokratie

Erstellt am: Samstag, 22. Februar 2025 von Sabine

Noch mehr Attacken auf die Demokratie

Die Zahl der Angriffe auf Amts- und Mandatsträger ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, um 20 Prozent. Worin liegen die Ursachen und Folgen, und was sollte sich ändern? Die Redaktion des WEISSEN RINGS hat mit Betroffenen, Fachleuten und der Politik gesprochen.

Pflastersteine zerstörten das Partei-Büro der Grünen. Foto: Die Grünen München

Es war Lenny Roths Wahlkampfpremiere. Der heute 22-Jährige kandidierte 2024 bei der Kommunalwahl in Sachsen für die CDU und warb erstmals auf Plakaten für sich und seine Partei. Am 9. Mai ist Roth gerade mit dem Aufhängen beschäftigt, als sich ein Mann vor ihm und einem Unterstützer aufbaut und fragt, ob sie für die AfD plakatieren. Sie verweisen auf die CDU – woraufhin der 31-Jährige noch aggressiver wird. Er nötigt sie, keine weiteren Plakate zu befestigen. Zerstört eines und stößt Roth. Scheucht ihn und dessen Begleiter um das Auto, in dem sie schließlich Schutz finden. Und schlägt noch gegen den Außenspiegel.

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren könnte“, erinnert sich Roth im Gespräch mit der Redaktion des WEISSEN RINGS. Nach „einem Schockmoment“ sei alles relativ schnell gegangen, habe sich aber viel länger angefühlt, „wie in einem Fiebertraum“. Zwei Fragen beschäftigen ihn danach: Was hätte noch alles passieren können? Und: Wieso tue ich mir das eigentlich an? Doch er sagt sich: „Wenn ich aufhöre, tue ich genau das, was solche Leute wollen. Ich darf mich nicht einschüchtern lassen.“ Roth setzt den Wahlkampf fort, berichtet dabei auch von seiner Gewalterfahrung und hat Erfolg. Mit guten Ergebnissen wird er in den Kreistag des Vogtlandkreises und den Stadtrat Auerbach gewählt.

So wie Lenny Roth sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Politikerinnen und Politiker Opfer von Attacken geworden – Tendenz steigend. Wie das Bundesinnenministerium kürzlich auf eine Anfrage der Abgeordneten Martine Renner (Linke) mitteilte, hat die Zahl der Angriffe auf Amts- und Mandatsträger im vergangenen Jahr um 20 Prozent gegenüber 2023 zugenommen, auf 4923 (Stichtag 31. Dezember 2024). Die Zahlen könnten noch steigen, weil die Länder Fälle nachmelden konnten, bei denen beispielsweise Stadtverordnete, Gemeinderatsmitglieder, Landräte oder Bürgermeister das Angriffsziel waren. Bei 99 der erfassten Taten – fünf mehr als im Vorjahr – handelte es sich um Gewaltdelikte, beim Großteil etwa um Sachbeschädigung, Beleidigung oder Propagandadelikte.

„Mein Wille, etwas zu bewegen, gibt mir Kraft.“

Lenny Roth

Demokratie müsse verteidigt werden

Die meisten Angriffe wurden den Angaben zufolge in Bayern (747), Baden-Württemberg (633), Nordrhein-Westfalen (540) und Berlin (533) verübt, die wenigsten in Bremen (55), Sachsen-Anhalt (105), im Saarland (108) sowie in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern (jeweils 119). In Bayern wurden bereits 2023 die meisten Taten gezählt (864), gefolgt von Baden-Württemberg (494) und Niedersachsen (406).

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der Redaktion des WEISSEN RINGS: „Die Verteidigung unserer Demokratie beginnt mit dem Schutz derer, die Tag für Tag für sie eintreten. Wir erleben immer stärkere Bedrohungen, Einschüchterungsversuche und Übergriffe.“ Um unmissverständlich zu zeigen, dass der Rechtsstaat das nicht hinnehme, gehe das Bundeskriminalamt massiv gegen Hasskriminalität vor, weil diese den Nährboden für Gewalttaten bereite. Vielerorts seien polizeiliche Schutzkonzepte hochgefahren, Streifen verstärkt und feste Ansprechstellen für Betroffene geschaffen worden. Und Anfang August 2024 habe die „Starke Stelle“, die bundesweite Ansprechstelle zum Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, ihre Arbeit aufgenommen, womit auch der Bund einen wichtigen Beitrag leiste. Darüber hinaus, so die Bundesinnenministerin, brauche es „ein deutliches Stopp-Signal gegen Bedrohungen und Gewalt für die Täter: durch schnelle und spürbare Strafen. Damit sie nicht den Mut verlieren, müssen die Betroffenen sehen, dass ihre Strafanzeigen Folgen haben und die Täter ermittelt werden.“

Zuletzt waren die Grünen am häufigsten Opfer: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2024 gegen Abgeordnete, Mitglieder und Mitarbeiter der Grünen rund 1190 polizeilich erfasste Straftaten verübt. Danach folgten die AfD (1030), SPD (780), CDU (420), FDP (320) und Linke (130).

Anfang dieses Jahres hat die „Starke Stelle“ eine erste Bilanz ihrer Arbeit vorgestellt. Bis dahin hat sie nach eigenen Angaben mehr als 120 Anfragen bearbeitet – die die Betroffenen oft erst nach einem längeren „Leidensweg“ gestellt hätten. Zumeist sei es um verbale oder schriftliche Anfeindungen, Verleumdungen, Beleidigungen oder Bedrohungen gegangen, die zum Teil aus den jeweiligen kommunalen Gremien kamen. Auffällig: Darunter waren eine ganze Reihe von „Doxing“-Fällen. Dabei werden persönliche Daten von Betroffenen gegen deren Willen öffentlich gemacht, oft, um sie einzuschüchtern.

Heftige Beleidigungen im Internet

Am Demokratiezentrum, das an der Philipps-Universität Marburg angesiedelt ist, promoviert Nora Zado über Bedrohungen von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Hessen. 20 Betroffene hat die empirische Kulturwissenschaftlerin intensiv befragt. Die Studie soll bald veröffentlicht werden. Mit der Redaktion des WEISSEN RINGS sprach sie vorab über ihre wesentlichen Erkenntnisse.

Der aktuelle Anstieg bei den Angriffen, sagt Zado, resultiere zum einen daraus, dass sich das Problem zuspitze: Immer mehr Menschen glaubten, sie müssten sich gerade im Netz nicht an Gesetze halten. „Teilweise werden heftige Beleidigungen mit Klarnamen gepostet.“ Zum anderen „verstehen Betroffene zunehmend: Die Attacken sind nicht Teil ihres Amtes, und es ist wichtig, Anzeige zu erstatten – auch um demokratische Werte zu verteidigen.“

Die Angriffe gegen die kommunalen Amts- und Mandatsträger kommen aus verschiedenen Richtungen, hat Zado herausgefunden: von sogenannten Reichsbürgern und anderen Rechtsextremen. Von unzufriedenen Bürgern und Initiativen, die sich keinem politischen Spektrum zuordnen ließen. Und auch von anderen Amts- und Mandatsträgern. Der Ton untereinander sei manchmal heftig. Teilweise verstünden die Täter gar nicht, was sie falsch gemacht haben, andere hingegen wüssten es sehr wohl, gingen methodisch vor. Wieder andere seien psychisch auffällig.

Die Kulturwissenschaftlerin sieht einen gesellschaftlichen Wandel, bei dem die Streitkultur und der Respekt für Ämter verloren gegangen seien: „Es gibt immer mehr ,Ichlinge‘, die besonders die Kommunalpolitik als Dienstleister betrachten, der alles sofort für sie tun muss. Wenn nicht, werden sie aggressiv“, erklärt Zado. Die Folgen? Die von Zado Befragten trotzten den Angriffen, ließen sich bei ihrer Arbeit nicht davon beeinflussen. Aber ihre Lebensqualität leide. „Und wir stellen fest, dass Parteien immer mehr Probleme haben, Kandidaten zu finden.“

Pflastersteine zerstörten Partei-Büro

Zu den Betroffenen des vergangenen Jahres zählen auch die Münchner Grünen. Die Scheiben ihres Büros am Nordbad wurden in der Nacht auf den 1. November 2024, gegen 23.20 Uhr, mit einer ganzen Ladung Pflastersteinen zerstört. Als Svenja Jarchow, Vorsitzende des Kreisverbandes München, davon erfährt, ist sie schockiert: „Alles war zersplittert, obwohl die Scheiben dick waren. Meine erste Sorge damals: War noch jemand drin?“ Glücklicherweise nicht. Dann habe sie darüber nachgedacht, was jetzt zu tun sei, wie sich das Risiko verringern und der Schutz verbessern lasse, blickt Jarchow zurück. „Es war eine geplante Aktion. Die Steine lagen nicht in der Gegend herum.“ Die Partei hat eine „Handreichung“ für ihre Mitglieder zusammengestellt, mit Informationen zu Anlaufstellen und Hinweisen wie jenem, nicht alleine im Wahlkampf unterwegs zu sein.

Es war nicht der erste Angriff auf die Münchner Grünen. Einmal wurde Kleister in ein Schloss gefüllt. Eine Parteikollegin Jarchows, die im Landtagswahlkampf plakatierte, wurde erst rassistisch beleidigt, dann mit einer Flüssigkeit bespritzt, die sich zur Erleichterung der Grünen als harmlos herausstellte. Ein anderes Mal wurde ein Infostand zusammengetreten.

„Die Stimmung ist sehr aufgeheizt, es hat sich etwas verschoben bei der Frage: Wie kann ich mit anderen umgehen?“, sagt Jarchow. Die Grünen würden immer wieder mal als Schuldige in den Vordergrund geschoben, als Feindbild „markiert“. Es treffe aber auch andere Parteien. Die Kreisverbandsvorsitzende kritisiert einen grundsätzlichen Mangel an Respekt, der sich auch in den vielen verbalen Attacken im Netz spiegele.

„Wofür machen wir das? Ist es das wert?“ Auch Jarchow hat sich diese Fragen schon gestellt. Sie konzentriere sich dann auf die positiven Erfahrungen und die Solidarität: „Unsere Mitglieder sagen: Wir weichen nicht, sondern halten zusammen. Nachbarn haben nach dem Anschlag auf unser Büro schnell die Polizei gerufen und standen an unserer Seite.“

Zu den zahlreichen Angriffen in Bayern teilt das dortige Innenministerium auf Anfrage der Redaktion des WEISSEN RINGS mit, „abschließende und valide Zahlen“ für 2024 lägen voraussichtlich Anfang des zweiten Quartals vor. Das Ministerium bestätigt aber, dass es in den vergangenen Jahren einen Anstieg der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger gab. Die Corona-Pandemie und auch vergangene Wahlen hätten dies begünstigt. Hinzukomme, dass Bayern zu den bevölkerungsstärksten Ländern zähle.

Die Aufklärungsquote sei ebenfalls gestiegen, auf 70 Prozent, weshalb das Ministerium an Betroffene appelliere, immer Anzeige zu erstatten. Außerdem verweist es auf ein 2020 aufgebautes Schutzkonzept mit Präventionsveranstaltungen und Sicherheitsberatung der Kriminalpolizei.

Das bayerische Justizministerium nennt auf Anfrage spezielle Ansprechpartner bei den Staatsanwaltschaften sowie ein vereinfachtes Online-Verfahren für Kommunalpolitiker und Abgeordnete bei Straftaten im Netz. Die bayerische Staatsregierung „nimmt diese Attacken auf unseren Rechtsstaat und seine demokratischen Repräsentanten nicht hin“, sagt Justizminister Georg Eisenreich (CSU). „Der Fall Walter Lübcke und die aktuellen Fälle zeigen: Aus Worten können auch Taten werden.“ Lübcke wurde 2019 von einem Rechtsextremisten ermordet. Zuvor war er im Netz aufgrund seines Einsatzes für Geflüchtete zum Feindbild erklärt worden.

Nach Ansicht des Ministeriums bildet das Strafrecht die derzeitige Bedrohung für Mandatsträger, aber auch für Ehrenamtliche nicht angemessen ab. Bayern habe sich deshalb schon 2023 für eine Strafschärfung im Bundesrat eingesetzt, um vor allem gegen Körperverletzung und Nötigung härter vorgehen zu können.

„Es ist entscheidend, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen, auch für die Statistik. Erst dann wird das Ausmaß klar.“

Svenja Jarchow

Politikwissenschaftler Andreas Blätte von der Universität Duisburg-Essen und sein Team haben bereits 2022 eine umfangreiche Studie zum Thema veröffentlicht, für die sie Amts- und Mandatsträger in Großstädten befragt hatten. Der Titel: „Vielfältige Repräsentation unter Druck: Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik“. Zur derzeitigen Entwicklung sagt Blätte: „Konflikte werden zunehmend im Freund-Feind-Modus ausgetragen. Gerade in den sozialen Medien, die Treiber dieser Entwicklung sind, ,radikalisieren‘ sich Menschen und fühlen sich zu verbalen oder sogar tätlichen Angriffen ermächtigt.“

Die Gesellschaft, erklärt Blätte, „steht unter Stress. Es gibt viele Hinweise darauf, dass Menschen dünnhäutiger sind, eine kürzere Zündschnur haben, auch aufgrund einer durch Corona, Klimawandel und andere Faktoren ausgelösten Veränderungserschöpfung.“ Gemütslagen schaukelten sich schnell hoch. Die Eskalationsspirale lasse sich nur beenden, wenn die Ächtung von Gewalt in politischen Debatten wieder Konsens werde.

Ein wichtiger Befund von Blättes Studie war, dass Vertreter aller Parteien von den Attacken betroffen sind. Die Intensität hänge davon ab, inwieweit eine Partei zum politischen Feindbild stilisiert worden ist, sagt der Professor. Täter fühlten sich dadurch ermächtigt, beispielsweise Hassmails zu schreiben.

Viele Amts- und Mandatsträger seien resilient, trotzten den Angriffen, sagt Andreas Blätte, obwohl sie im Kern mit einer terroristischen Strategie konfrontiert seien: Es handele sich um Signaltaten, die auch nicht-unmittelbar Betroffene treffen sollen. Manche zermürbe der Hass; sie fühlten sich alleingelassen.

„Die Parteien merken, was ihr Personal durchmacht, es gibt Notfallmechanismen und Sicherheitsmaßnahmen, gerade in Wahlkampfzeiten“, so Blätte. Besonders auf kommunaler Ebene müssten die Probleme noch ernster genommen werden, damit „das Fundament der Demokratie nicht erodiert“. Dort seien die Betroffene schon aufgrund der Nähe exponierter und weniger geschützt.

Zudem spricht sich Blätte für einen verstärkten Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Amts- und Mandatsträgerinnen aus. Die zahlreichen, massiv belastenden Fälle würden seltener angezeigt. „Es fehlt an spezialisierten Hilfsangeboten.“

Es benötige mehr Personal und Eingriffsmöglichkeiten

In den vergangenen Jahren sei die Hilfe für Betroffene insgesamt durchaus verbessert worden, zum Beispiel durch mehr Melde- und Beratungsstellen, sagt Kulturwissenschaftlerin Nora Zado. Die Sicherheits- und Justizbehörden nähmen das Problem ernst. Es gebe aber noch Verbesserungsbedarf. So bräuchten insbesondere ehrenamtliche Amts- und Mandatsträger mehr juristische Unterstützung, Polizei sowie Staatsanwaltschaft wiederum mehr Personal und schnellere Eingriffsmöglichkeiten für solche Fälle. Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit erfuhr Zado, dass manche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister regionale informelle Netzwerke parteiübergreifend bilden, um sich auszutauschen und Tipps zu geben. Eine Art Selbsthilfegruppe, in der sie sich gegenseitig stärken.

Svenja Jarchow hält gegenseitige Unterstützung – auch über Parteigrenzen hinweg – ebenfalls für wertvoll. Polizei und Staatsanwaltschaft seien mittlerweile sensibilisiert für die Problematik, kümmerten sich darum. „Es ist entscheidend, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen, auch für die Statistik. Erst dann wird das Ausmaß klar“, so Jarchow. Um Betroffenen besser zu helfen, brauche es schnellere Verfahren und ein engmaschigeres Netz an Beratungsstellen. Hier sei Bayern nicht optimal aufgestellt.

Der Angreifer von Lenny Roth ist im Januar unter anderem wegen Nötigung in Tateinheit mit Sachbeschädigung verurteilt worden. Die viermonatige Haftstrafe resultiert auch aus früheren Taten und Vorstrafen. „Das Einzige, was abschreckt, sind Strafen“, sagt Roth. Es brauche Konsequenz – und ein Umdenken: Der Nachwuchspolitiker beobachtet eine zunehmende Verrohung und „zu viel Schwarz und Weiß, zu wenig Grautöne, vor allem in sozialen Medien“. Gleichzeitig müssten Leute, die eine Meinung hätten, Gegenmeinungen aushalten.

Roth betont, er werde sich auch künftig nicht verunsichern lassen: „Mein Wille, etwas zu bewegen, gibt mir Kraft.“

WEISSER RING sieht wachsende Aggressionen gegen deutsch Behörden

Erstellt am: Montag, 22. Juli 2024 von Sabine

Die Bebilderung dieses Textes wurde mithilfe von künstlicher Intelligenz (Midjourney) erstellt.

Datum: 22.07.2024

WEISSER RING sieht wachsende Aggressionen gegen deutsch Behörden

Ein Jugendamt-Mitarbeiter findet ein beleidigendes Tiktok-Video über seine Arbeit im Netz – und fühlt sich damit alleingelassen. Anlass für eine bundesweite Umfrage der Opferschutzorganisation.

Mainz – Beleidigungen und Angriffe: Der Ton gegenüber Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Behörden hat sich verschärft. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Opferhilfsorganisation WEISSER RING in zahlreichen deutschen Stadtverwaltungen.

Danach haben die allermeisten Kommunen schon einmal digitale Gewalt erlebt. Viele berichteten auch von körperlichen Angriffen auf Beschäftigte innerhalb der vergangenen zwölf Monate, teilte der Weiße Ring mit. Repräsentativ ist die Umfrage allerdings nicht. Von 82 angefragten Verwaltungen hätten sich 44 zurückgemeldet. Für die Auswertung wurden 38 Antworten berücksichtigt, weil die anderen lückenhaft waren.

Beleidigende oder bedrohliche Nachrichten

In den vergangenen zwölf Monaten gab es in 29 Verwaltungen körperliche Angriffe auf Beschäftigte. 35 Städte registrierten Fälle digitaler Gewalt. Dazu gehörten vor allem beleidigende oder bedrohliche Nachrichten über Mail, Messenger-Dienste und in den sozialen Medien. Dazu kamen negative oder beleidigende Rezensionen sowie die Verbreitung privater Informationen ohne Zustimmung.

„Auf die zunehmende Verrohung eingestellt sind die Kommunen oftmals nicht“, stellt der WEISSE RING fest. Lediglich die Hälfte der Behörden habe angegeben, intern über spezielle Richtlinien oder Verfahren im Umgang mit digitaler Gewalt gegen Mitarbeitende zu verfügen (19 Städte).