Eskalation rassistischer Gewalt in Magdeburg

Erstellt am: Mittwoch, 7. Mai 2025 von Selina
Cover von Podcast "NSU Watch": Es geht um Eskalation rassistischer Gewalt in Magdeburg.

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Eskalation rassistischer Gewalt in Magdeburg

NSU Watch und VBRG e.V.

Angst, Einschränkungen und soziale Isolation. So geht es Menschen mit Migrationsgeschichte nach dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg, bei dem sechs Menschen getötet und 86 schwer verletzt wurden und über 1.200 Betroffene. Der Täter: ein 50-jähriger Psychiater, saudi-arabischer Herkunft. In Magdeburg stieg die Zahl der rassistischen Angriffe nach dem Anschlag erheblich. In der 55. Folge der Podcast-Serie von der bundesweiten Initiative „NSU Watch“ und dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), berichten Betroffene und Opferberater von der Zeit nach dem Anschlag. Sie berichten über Menschen, die migrantisch wahrgenommen werden und deshalb Angst haben und überlegen, die Stadt zu verlassen. Bereits am Abend des Anschlages wurde ein 18-jähriger Student von einer Männergruppe bedroht und geschlagen. Ein 13-Jähriger wurde im Fahrstuhl seines Wohnhauses von Erwachsenen rassistisch beleidigt und gewürgt. Der Podcast zeigt eindrücklich: Rassistische Gewalt eskaliert weiter und Kinder werden nun auch häufiger zu Opfern, weil migrantische Menschen in Sippenhaft genommen werden.

verband-brg.de/folge-55-eskalation-rassistischer-gewalt-in-magdeburg/

„Pädokriminelle Foren im Darknet: Jetzt löschen wir richtig“

Erstellt am: Mittwoch, 16. April 2025 von Selina

GUCKEN

„Pädokriminelle Foren im Darknet: Jetzt löschen wir richtig“

STRG_F/Panorama auf YouTube

„Ich glaube, kein Mensch fände es gut, wenn von ihm irgendwelche Nacktfotos […] öffentlich am nächsten Marktplatz ausgehangen werden auf Plakaten. Die meisten Menschen würden sich zu Tode schämen. Ich lebe jetzt seit über 20 Jahren damit, dass von mir solche Fotos auf dem nächsten Marktplatz hängen und ich nie weiß, wer von meinen Nachbarn die alle gesehen hat.“ Der Betroffene, von dem diese Sätze stammen, heißt nur im Film Lukas Jansen. Für die Reportage „Pädokriminelle Foren im Darknet: Jetzt löschen wir richtig“ wurde sein Name geändert. Als Kind wurde er jahrelang schwer sexuell missbraucht, immer wieder wurden davon Fotos und Videos gemacht. Er ist sich sicher, dass diese auch im Netz gelandet und somit öffentlich zugänglich sind. Fälle wie die von „Lukas“ sind es, die dem Film seine emotionale Wucht und politische Relevanz geben.

Journalist Daniel Moßbrucker und Informatiker Tobias Hübers haben es sich zur Aufgabe gemacht, pädokriminelle Inhalte im Darknet löschen zu lassen. Der aktuelle Film ist die Fortsetzung der Reportage „Pädokriminelle Foren: Warum löscht niemand die Aufnahmen?“, in deren Verlauf die Macher das größte Pädokriminellen-Forum des Darknets lahmlegten. Das jetzige Ziel der Filmemacher: Löschen im großen Stil. Dafür haben sie Foren durchforstet und eine KI trainiert, um nicht alle Abbildungen von Missbrauch selbst ansehen zu müssen. „Ich hoffe, dass der Teil des Projektes schnell vorbeigeht“, sagt Moßbrucker im Film. „Diese Bilder vergessen, das geht nicht mehr. Sie aus dem Netz zu löschen schon. Umso bedrückender zu sehen, was alles verfügbar ist und wie lange schon.“

Nach einem halben Jahr hatten Hübers und Moßbrucker den verantwortlichen Internetunternehmern 310.199 Links gemeldet, die diese dann gelöscht haben. Insgesamt sind so 21,6 Terabyte an pädokriminellen Inhalten aus dem Netz gelöscht worden. Um die Dimension zu verdeutlichen, rechnen die Filmemacher die Größe um: Das ist „so viel, als würde man sich anderthalb Jahre lang Videos anschauen, rund um die Uhr, in hochauflösender Qualität“. Diese Aufnahmen sind nun alle weg, innerhalb von sechs Monaten, dank eines zweiköpfigen Teams.

Die Reaktionen der Foren-Nutzer bestärken den Erfolg des Projekts. User schreiben, nachdem immer mehr Inhalte gelöscht sind: „Diese Website ist Müll“; „Nichts funktioniert mehr“; „Es macht keinen Spaß mehr auf diese Seiten zu gehen. Alle Links sind zu 99,5 Prozent down“; „Die Frustration versaut mir echt die Stimmung, und ich wende mich anderen Hobbys oder Interessen zu“; „Vielleicht ist es an der Zeit, aufzugeben“; „Ich verabschiede mich aus der Pädo-Szene, weil es keinen Sinn mehr ergibt“.

Die Politik hatte schon nach dem ersten Film versprochen, pädokriminelle Inhalte konsequent zu löschen. Warum das nicht passiert ist? Auch darauf geht der Film ein. Die Filmemacher sprechen etwa mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), der erstaunlich ehrliche Worte findet: „Es wird nicht gelöscht, zumindest nicht so, wie ich es mir wünsche.“. Auf die Frage, wann das Löschen beginnt, antwortet Reul: „So schnell wie möglich.“ Es wäre wünschenswert, wenn die Aussage diesmal stimmen würde, denn das Löschen von pädokriminellen Inhalten würde Betroffenen wie Lukas helfen.

STRG_F ist das Recherche-Format von funk, dem jungen Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, produziert von PANORAMA (NDR).

Ein Film von Daniel Moßbrucker, Robert Bongen, Lisa Hagen,
Tobias Hübers
Kamera: Henning Wirtz, Lisa Hagen, David Diwiak
Schnitt: Jan Littelmann

„Im Netzwerk der Vergewaltiger“

Erstellt am: Freitag, 14. März 2025 von Sabine
Das Logo des Journalisten-Teams Strg_F ist zu sehen, dazu der Titel der aktuellen Reportage "Im Vergewaltiger-Netzwerk". Dazu ist ein Screenshot eingeblendet von einem abfotografierten Zettel, auf dem ein Telegram-Konto aufgeschrieben ist für wahrscheinlich interessierte Vergewaltiger.

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„Im Netzwerk der Vergewaltiger“

STRG_F auf YouTube

Wer dachte, dass der Fall Gisèle Pelicot ein grausames Einzelschicksal ist, sollte sich die Reportage „Im Netzwerk der Vergewaltiger“ von STRG_F ansehen.

Beeindruckend zeigen die Reporterinnen Isabell Beer und Isabel Ströh, dass sich auf Telegram ein internationales Netzwerk findet, „in dem sich Nutzer über Vergewaltigungen an bewusstlosen Frauen austauschen, sie offenbar planen und Aufnahmen des Missbrauchs teilen“. Mit einem Einladungslink treten die Journalistinnen erst einer, dann mehreren Gruppen bei und finden ein Ausmaß an Grausamkeit und Auskunftsfreudigkeit, das selbst die erfahrenen Reporterinnen überrascht.

Der Film zeigt, mit welchen perfiden Mitteln Männer ihre Frauen betäuben, und betrachtet auch die juristische Seite dieses Phänomens. Zu guter Letzt geht er außerdem auf den prominentesten Fall dieser Art ein: den Fall Gisèle Pelicot.

Der Film bringt etwas Unglaubliches ans Tageslicht, das bisher in nicht gekanntem Ausmaß im Dunkel der vermeintlichen Anonymität existieren konnte.

„WTF is Jule?!“

Erstellt am: Freitag, 14. März 2025 von Selina
Titelbild von der ZDF-Doku über Jule Stinkesocke. Man sieht die Aufschrift "WTF is Jule?!" und dahinter ein Foto von der angeblichen Jule Stinkesocke. Moderiert wird die Doku von dem deutschen Schauspieler Maximilian Mundt.

GUCKEN

„WTF is Jule?!“

ZDF Mediathek

70.000 Follower auf Twitter (heute X), Millionen Menschen lesen ihren Blog. Kaum eine Person im Rollstuhl hat so viele Menschen erreicht wie Jule Stinkesocke. Schulzeit, Ausbildung und Sex, Jule Stinkesocke schrieb über ihr Leben.

Doch es stellt sich heraus: Stinkesocke existiert nicht. „WTF is Jule?!“ ist eine Doku-Serie des ZDF über eine Person, die jahrelang Tausende Menschen täuschte. Die Doku zeigt, wie junge Leute, vor allem aus besonders verletzlichen Gruppen wie Menschen mit Behinderungen, durch falsche Identitäten in den sozialen Medien manipuliert werden können. Besonders junge behinderte Frauen wurden Opfer, die dachten, sie würden mit einer ebenfalls jungen behinderten Frau chatten.

„Ich fühle mich benutzt, ich habe jemandem alles erzählt, was man über mich wissen kann. Das waren ganz intime Sachen, und wenn ich darüber nachdenke, wird mir schlecht“, sagt eines der Opfer, die in der Doku zu Wort kommen.

Der Schauspieler Maximilian Mundt, bekannt aus der Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“, begleitet einen durch die Recherche nach der wahren Identität von Jule Stinkesocke.

zdf.de/dokumentation/wtf-is-jule

„Avignon – Der Prozess Pelicot“

Erstellt am: Freitag, 14. März 2025 von Selina
Cover des Spiegel-Podcats "Acht Milliarden", mit der aktuellen Folge über den Prozess Pelicot in Avignon. Dazu sieht man das Opfer Gisèle Pelicot mit ihrer Sonnenbrille auf.

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„Avignon – Der Prozess Pelicot“

Acht Milliarden/Der Spiegel

„Sie war immer noch ein Opfer, denn wie sie sagte, wusste sie von nichts. Also war sie immer noch ein Opfer. Aber sie war eine Frau mit einem Blick, mit einer Stimme. Zum ersten Mal erzählte sie ihre Version der Geschichte, und das war ehrlich gesagt ein unglaublicher Moment“, sagt Gerichtszeichnerin Marion Dubreuil über Gisèle Pelicot im „Spiegel“-Podcast von Britta Sandberg. In vier Folgen nimmt die Journalistin ihr Publikum mit in die „Innenansichten“ des Gerichtssaals.

Zu hören sind Auszüge aus Sandbergs Notizen, aus Wortprotokollen, Vernehmungen und der Anklageschrift. Zitiert werden Stellen aus dem Buch von Caroline Darian, der Tochter von Gisèle und Dominique Pelicot, das auch Briefe ihres Vaters enthält, die er aus dem Gefängnis an seine Familie geschrieben hat.

Neben der Heldin Gisèle Pelicot lernt der Hörer hier auch das Opfer Gisèle Pelicot kennen. Der Podcast zeigt hier außerdem, was so eine Tat für eine Familie bedeutet.

Es ist als Zuhörerin nicht immer leicht, all diese Details zu erfahren – ihnen zu folgen, ohne selbst betroffen zu werden. Aber wer sich für diese Geschichte interessiert, sollte diesen Podcast auf keinen Fall verpassen.

open.spotify.com

Auch Sprache ist ein Messer 

Erstellt am: Montag, 10. März 2025 von Selina
Salman Rushdie sein Buch "Knife".

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Auch Sprache ist ein Messer 

Salman Rushdie
„Knife – Gedanken nach einem Mordversuch“
Penguin Verlag, 256 Seiten, 25 Euro 

Am 14. Februar 1989 rief der iranische Revolutionsführer Chomeini die Muslime in aller Welt auf, den Schriftsteller Salman Rushdie zu töten, Autor des Buches „Die satanischen Verse“.

33 Jahre und 16 Bücher später, am 12. August 2022, stürmt im Amphitheater von Chautauqua ein junger Mann zur Bühne, wo Rushdie, mittlerweile 75 Jahre alt, spricht. Der Schriftsteller sieht den Mann im Augenwinkel kommen; es ist das Letzte, was sein rechtes Auge sehen wird. 15-mal sticht der Angreifer zu, sein Messer trifft Hand, Hals, Leber, Unterleib, Auge.

Rushdie überlebt – und sticht schon bald zurück, mit Worten: „Auch Sprache ist ein Messer“, schreibt er. „War ich unvermutet in einen Messerkampf geraten, war Sprache womöglich die Waffe, mit der ich mich wehren konnte.“ Sprache, so Rushdie, könne die Welt aufschneiden und ihre Bedeutung zeigen, und genau das tut der Schriftsteller in seinem Buch „Knife“, Messer. Er legt die Folgen des Verbrechens frei, zeigt seine Gefühle: den Schmerz, die Angst, die Scham.

18 Tage lang, „die längsten achtzehn Tage meines Lebens“, rang Rushdie auf der Intensivstation um sein Leben. Ihm wurde klar, dass er über das Attentat schreiben muss. Schreiben als Therapie, der Gedanke behagte ihm nicht, „Schreiben ist Schreiben und Therapie ist Therapie“, notiert er später. Aber da schreibt er längst, es geht nicht anders.

„Knife“ zeigt, schmerzhaft auch für den Leser, die „körperlichen Demütigungen“, die der Verletzte ertragen muss. Den Verlust der Autonomie. Die Zumutungen, denen ihn „Dr. Auge, Dr. Hand, Dr. Stich, Dr. Schnitt, Dr. Leber, Dr. Zunge“ aussetzen. Rushdie erinnert sich, sich „matt“ gefühlt zu haben, „erschöpft, deprimiert, fassungslos, krank, schwach“. Nur an ein Gefühl erinnert er sich nicht: Wut. „Wut kam mir wie ein sinnloser Luxus vor. Wut nutzte mir nichts; ich hatte mich um Wichtigeres zu kümmern.“

Wichtiger ist es für ihn, zu verstehen, und dafür nutzt er das Mittel, das ihn als Schriftsteller berühmt gemacht hat: die Fantasie. Er stellt sich einen Dialog mit seinem Attentäter vor. 27 Sekunden lang stach der Mann auf den hilflosen Schriftsteller ein, seitenlang kehrt der Schriftsteller nun das Machtverhältnis um und schlägt mit Worten auf den Attentäter ein, den er „A.“ nennt, „A. wie Arschloch“. Er spricht mit ihm über Gott und Glauben, über Liebe und Leben. „Untermotiviert“ kommt ihm die Tat seines „gescheiterten Mörders“ vor. Fast gelangweilt beendet er schließlich das Gespräch: „Ich habe nicht länger die Energie, ihn mir vorzustellen, so wie er nie in der Lage war, sich mich vorzustellen.“

Auf Gewalt habe er mit Kunst antworten wollen, so Rushdie. Am Ende seines nachdenklichen und klugen, deshalb so wertvollen Buches steht er wieder auf der Bühne in Chautauqua und fühlt sich: ganz. Das Verbrechen hat ihn nicht zerbrochen.

penguin.de/buecher/salman-rushdie-knife