Fesseln für die Täter, Freiheit für die Opfer!

Erstellt am: Mittwoch, 2. Oktober 2024 von Sabine

Foto: Christian J. Ahlers

Datum: 02.10.2024

Fesseln für die Täter, Freiheit für die Opfer!

Der WEISSE RING startet eine Petition für die elektronische Aufenthaltsüberwachung von Gewalttätern zum besseren Schutz von Frauen.

Mainz – Jeden Tag versucht ein Mann, seine (Ex-)Partnerin zu töten. An fast jedem zweiten Tag gelingt es einem Mann, seine (Ex-)Partnerin zu töten. Im vergangenen Jahr starben so 155 Frauen.

Tut der Staat genug, um diese Frauen zu schützen? Die Meinung des WEISSEN RINGS, Deutschlands größter Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, lautet: Nein, das tut er nicht!

Etliche Frauen, die schwerste Gewalt erlebten, hatten sich zuvor hilfesuchend an die Behörden gewandt und gerichtliche Annäherungs- oder Kontaktverbote gegen ihre (Ex-)Partner erwirkt. Aber niemand kontrolliert, ob diese Verbote nach dem Gewaltschutzgesetz eingehalten werden. Männer ignorieren die Anordnungen tausendfach, sie prügeln weiter, sie töten. Allein im Jahr 2023 registrierten die Behörden 6.483 Verstöße.

Forderung an Bundesjustizminister Marco Buschmann

Um diese Frauen besser zu schützen, hat der WEISSE RING, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, eine Petition an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gestartet und fordert ihn auf, endlich den Weg freizumachen für eine bundesrechtliche Regelung zum Einsatz der elektronischen Fußfessel im Gewaltschutzgesetz. Unter dem Motto „Fesseln für die Täter, Freiheit für die Opfer!“ sammelt der WEISSE RING online Unterschriften, um so den Handlungsdruck auf die Politik zu erhöhen.

Dieser Link führt zur Petition:
Herr Bundesminister Buschmann, handeln Sie jetzt!
Fesseln für die Täter, Freiheit für die Opfer!

Vorbild für den Fußfessel-Einsatz ist das sogenannte spanische Modell: Seit 2009 können spanische Gerichte das Tragen einer elektronischen Fußfessel anordnen, um Annäherungsverbote zu überwachen. Täter und Opfer tragen dabei ein elektronisches GPS-Gerät bei sich. Beim Täter ist es am Körper fixiert, die zu schützende Person trägt es wie ein Smartphone bei sich.

Sobald der Abstand zwischen beiden weniger als 500 Meter beträgt, schlägt das System Alarm, und die Polizei kann schnell reagieren. Die Leitstelle lotst die Polizei zum Einsatzort. Die Polizei wird auch alarmiert, wenn das elektronische Armband entfernt wird oder defekt ist.

„In Spanien ist es gelungen, die Zahl der Femizide um 27 Prozent zu senken“, sagt Dr. Patrick Liesching, stellvertretender Bundesvorsitzender des WEISSEN RINGS. „Unter den Teilnehmerinnen des Überwachungsprogramms ist sogar kein einziger Todesfall bekannt. Es ist deshalb höchste Zeit, eine bundesgesetzliche Regelung auch in Deutschland zu schaffen.“ Statistisch hätte eine solche Überwachung im vergangenen Jahr 40 Frauen das Leben retten können, so Liesching weiter. „Damit die Bundesregierung handelt, bedarf es Druck von außen. Darum bitte ich Sie im Interesse des Opferschutzes, unsere Petition zu unterschreiben!“

Spanisches Modell funktioniert auch in Deutschland

In zwei Brandbriefen an die Politik hatte der WEISSE RING 2022 und 2023 „in höchster Dringlichkeit“ gefordert, Frauen besser zu schützen. Dabei wies der Verein auf die elektronische Aufenthaltsüberwachung von Gefährdern hin.

„Technisch wäre ein Fußfessel-Einsatz nach dem spanischen Modell auch in Deutschland problemlos möglich“, sagt Liesching. Laut der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder (GÜL) ließe sich das „zeitnah hier bei uns in der GÜL einrichten“. Bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) sind die entsprechenden Geräte bereits getestet worden.

Kommt bald die Fußfessel für Gewalttäter?

Erstellt am: Donnerstag, 22. August 2024 von Sabine

Foto: Christoph Klemp

Datum: 22.08.2024

Kommt bald die Fußfessel für Gewalttäter?

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich erstmals "offen" gezeigt für eine bundeseinheitliche Regelung zum Einsatz der elektronischen Fußfessel bei Gewalttätern in Fällen häuslicher Gewalt.

Mainz – Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich erstmals „offen“ gezeigt für eine bundeseinheitliche Regelung zum Einsatz der elektronischen Fußfessel bei Gewalttätern in Fällen häuslicher Gewalt. „Auch Regelungen im Gewaltschutzgesetz kann ich mir grundsätzlich vorstellen”, sagte er in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Mit Fußfesseln können die Behörden überwachen, ob sich Gefährder trotz gerichtlicher Kontaktverbote den Betroffenen nähern. Recherchen des WEISSEN RINGS haben gezeigt, dass Gewalttäter in Deutschland jährlich tausendfach gegen solche Anordnungen verstoßen und es dadurch immer wieder zu schweren Verletzungen und sogar Tötungen kommt.

Der WEISSE RING, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, fordert deshalb schon lange eine Aufnahme der elektronischen Überwachungsmöglichkeit ins Gewaltschutzgesetz. Im Dezember 2023 hatte Dr. Patrick Liesching, Bundesvorsitzender des WEISSEN RINGS, einen entsprechenden Brandbrief an Minister Buschmann geschickt. Liesching wies darauf hin, dass in Deutschland an jedem dritten Tag ein (Ex-)Partner eine Frau töte, und schrieb: „Was mich besonders erschüttert: Viele dieser Frauen hatten sich vor der Tat hilfesuchend an den Staat gewandt.“ Er sei der Überzeugung, „dass der deutsche Staat Frauen besser schützen kann, als er es derzeit tut“. Erst vor wenigen Tagen stellte Liesching gemeinsam mit Hessens Justizminister Christian Heinz (CDU) eine Bundesratsinitiative des Landes vor, mit der das Gewaltschutzgesetz erweitert werden kann.

Bislang hatte Bundesjustizminister Buschmann allerdings ablehnend auf derartige Forderungen reagiert. So antwortete sein Haus Ende 2023 auf eine Anfrage der Redaktion des WEISSEN RINGS: Die Schaffung einer entsprechenden Anordnung im Gewaltschutzgesetz wäre „nicht geeignet, um den angestrebten lückenlosen Opferschutz zu gewährleisten“.

Mit Blick auf die aktuellen Äußerungen Buschmanns im RND-Interview sagte Patrick Liesching am Donnerstag: „Wir freuen uns sehr, dass sich nunmehr auch der Bundesjustizminister für eine bundesrechtliche Regelung beim Fußfessel-Einsatz gegen Gewalttäter öffnet. Jetzt hoffen wir im Interesse der schutzbedürftigen Frauen, dass die hessische Bundesratsinitiative schnell zu der längst überfälligen Gesetzesänderung führt.“

Wie die elektronische Aufenthaltsüberwachung von Gewalttätern bedrohte Frauen schützen kann, zeigt seit Jahren das Beispiel Spanien. Der WEISSE RING und die hessische Bundesratsinitiative regen ein solches Modell auch für Deutschland an.

„Es wird höchste Zeit“

Erstellt am: Freitag, 16. August 2024 von Sabine

Foto: WEISSER RING e. V.

Datum: 16.08.2024

„Es wird höchste Zeit“

Hessens Justizminister Heinz besucht den WEISSEN RING in Eschborn und stellt Pläne zum besseren Schutz von Frauen gegen Gewalt vor.

Eschborn – Der hessische Justizminister Christian Heinz (CDU) hat am dritten Tag seiner „Rechtsstaats-Tour“ durch Hessen den hessischen Landesverband des WEISSEN RINGS in Eschborn besucht. Im Gespräch Dr. Patrick Liesching, Vorsitzender des WEISSEN RINGS im Bund und in Hessen, und der ehrenamtlichen Opferhelferin Ingeborg Altvater ging es um den besseren Schutz von gewaltbetroffenen Frauen durch den Einsatz von elektronischer Aufenthaltsüberwachung (Fußfessel). Die hessische Landesregierung hat eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, eine entsprechende Regelung in das Gewaltschutzgesetz aufzunehmen. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann stellt sich dem bislang entgegen.

„Statistisch gesehen findet in Deutschland jeden Tag der Versuch einer Tötung einer Frau statt, jeden dritten Tag kommt es auch zu einer Vollendung einer Tötung. Das ist etwas, das mich persönlich sehr bewegt, weil ich auch als Staatsanwalt solche Fälle hatte. Und wenn man dann in die Details geht, die da ermittelt werden, die Betroffenheit von Angehörigen, von Kindern, von Waisen oder Halbwaisen sieht, dann ist das etwas, das einen nicht kalt lässt und das einen hohen Handlungsdruck erzeugt“, sagte Liesching zu Beginn des Gespräches. „Deswegen begrüße ich die Initiative von Justizminister Heinz außerordentlich.“

Die Bundesratsinitiative sieht unter anderem vor, die elektronische Fußfessel durch eine Änderung des Gewaltschutzgesetzes bundesrechtlich zu verankern. „Momentan gibt es lediglich nach den Polizeigesetzen der Länder die Möglichkeit, dass Betroffene von häuslicher Gewalt durch die elektronische Fußfessel bei den Tätern nur kurzfristig und vorübergehend geschützt werden, eben bis gerichtliche Maßnahmen greifen. Um eine dauerhafte und nicht nur kurzfristig wirkende Möglichkeit zu haben, gerichtliche Kontakt- oder Näherungsverbote mit einer Fußfessel zu kontrollieren, muss die Fußfessel ins Gewaltschutzgesetz aufgenommen werden“, sagte der Justizminister.

Dr. Patrick Liesching richtet Forderungen an die Bundespolitik. Foto: WEISSER RING

Eine bundeseinheitliche Regelung zur präventiven, elektronischen Aufenthaltsüberwachung fordert der WEISSE RING seit Jahren. „Es ist höchste Zeit, dass der Bundesgesetzgeber endlich wirksame Instrumente schafft, um der Gewalt durch (Ex-)Partner zu begegnen. Die bisherigen Regelungen des Gewaltschutzgesetzes sind nicht ausreichend. Modelle zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung in Spanien und anderen europäischen Ländern zeigen eindrucksvoll, dass man solche Tötungen erfolgreich und effektiv verhindern kann. Deshalb kann ich die ablehnende Haltung von Bundesjustizminister Buschmann in keiner Weise nachvollziehen“, so Liesching.

Marco Buschmann hat sich in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur im vergangenen Juli gegen eine einheitliche Regelung ausgesprochen, wofür ihn der WEISSE RING scharf kritisierte. Der FDP-Politiker sieht zwar ebenfalls eine Notwendigkeit, den Schutz vor Gewalt durch Partner beziehungsweise Ex-Partner zu verbessern. Länder, die dafür elektronische Fußfesseln nutzen wollten, könnten dies aber selbst regeln, sagte Buschmann im Interview.

In Hessen ist der Einsatz von Fußfesseln zum Schutz vor gewalttätigen (Ex-)Partnern möglich. „Die Praxis hat aber gezeigt, dass das allgemeine Gefahrenabwehrrecht, was das sogenannte HSOG ist, ein sehr schwaches Schwert ist“, so Justizminister Christian Heinz im Gespräch mit dem WEISSEN RING. Das Tragen einer Fußfessel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr sei nur für zwei bis maximal drei Wochen rechtlich zulässig. Recherchen des WEISSEN RINGS haben außerdem gezeigt, dass der Anordnung einer Fußfessel nach dem Landespolizeigesetz häufig sehr hohe rechtliche Hürden entgegenstehen und dies bislang nur in wenigen Bundesländern überhaupt möglich ist.

Einen kleinen, aber doch sehr bedrückenden Einblick in die Lage von häuslicher Gewalt betroffener Menschen, brachte die Außenstellenleiterin des Main-Taunus-Kreises im WEISSEN RING, Ingeborg Altvater. Sie berichtet: „Wenn Frauen es geschafft haben, sich aus einer gewaltsamen Beziehung zu trennen, dann hört das Leid nicht auf, sondern die Frauen leben unserer Erfahrung nach dann in einer Situation, die voll von Angst, von Bedrohungen, von Unsicherheit ist. Konkret sieht es dann so aus, dass sich die Frauen immer mehr zurückziehen. Sie leben teilweise in abgedunkelten Räumen, sperren sich da ein, verbarrikadieren sich, denn sie müssen immer wieder erleben, dass trotz Annäherungsverboten der gewalttätige Ex-Partner sich ihnen nähert.“ Der Einsatz einer Fußfessel würde die Situation der Frauen dramatisch verbessern, davon ist die Außenstellenleiterin überzeugt. „Wir wollen häusliche Gewalt konsequent bekämpfen. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln“, so der hessische Justizminister in Eschborn. Laut Christian Heinz hat die aktuelle Bundesregierung noch ein Jahr und damit ausreichend Zeit, ein Bundesgesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß zu Ende zu bringen.

WEISSER RING kritisiert Justizminister Buschmann: „Offenbar kein Opferschutzminister“

Erstellt am: Donnerstag, 18. Juli 2024 von Sabine

Union und SPD wollen die spanische Variante der Fußfessel im Bund einführen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Datum: 18.07.2024

WEISSER RING kritisiert Justizminister Buschmann: „Offenbar kein Opferschutzminister“

Wenn Ex-Partner gewalttätig sind, kann eine elektronische Fußfessel für mehr Sicherheit sorgen. Der Bundesjustizminister möchte dazu selbst aber keine Vorgaben machen. Der WEISSE RING kritisiert das scharf.

Berlin/Mainz – Der WEISSE RING, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, kritisiert Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann scharf für seine Weigerung, eine bundesrechtliche Regelung für den Einsatz elektronischer Fußfesseln bei häuslicher Gewalt zu schaffen. „Mit seiner unverständlichen Blockade-Haltung isoliert sich Herr Buschmann zunehmend selbst“, sagt Dr. Patrick Liesching, Bundesvorsitzender des WEISSEN RINGS.

„Herr Buschmann lässt nicht nur die gewaltbetroffenen Frauen in ihrem Leid allein, er ignoriert auch einen Beschluss der Justizministerkonferenz der Länder und missachtet den Wunsch zahlreicher Koalitionskolleginnen und -kollegen nach einer bundeseinheitlichen Lösung.“

Buschmann: Länder sollen selbst Regeln aufstellen

In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hatte Buschmann am Donnerstag erklärt, er halte eine bundeseinheitliche Regelung zum Einsatz elektronischer Fußfesseln bei häuslicher Gewalt für unnötig. Damit stellt er sich gegen eine entsprechende Forderung, die im Juni bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern (IMK) erhoben worden war.

Der FDP-Politiker sieht zwar ebenfalls eine Notwendigkeit, den Schutz vor Gewalt durch Partner beziehungsweise Ex-Partner zu verbessern. Länder, die dafür elektronische Fußfesseln nutzen wollten, könnten dies aber selbst regeln, sagte Buschmann der Deutschen Presse-Agentur. Die elektronische Fußfessel übermittelt den Aufenthaltsort – nähert sich jemand trotz eines Annäherungs- und Kontaktverbots etwa der Wohnung der Betroffenen, wird die Polizei alarmiert.

Fußfessel-Einsatz vielerorts nicht zulässig

Liesching weist darauf hin, dass in den meisten Bundesländern ein Fußfessel-Einsatz bei häuslicher Gewalt bislang rechtlich nicht zulässig ist. Recherchen des WEISSEN RINGS hätten zudem ergeben, dass einer Anordnung nach dem Landespolizeigesetz häufig sehr hohe rechtliche Hürden entgegenstehen. „Es ist geradezu zynisch, dass Herr Buschmann Hamburg als positives Beispiel anführt“, sagt Liesching. „Laut unserer Recherche von 2023 hat Hamburg seit 2019 genau ein einziges Mal das Tragen einer Fußfessel wegen Beziehungsgewalt angeordnet – und dieser Beschluss wurde dann auch noch vom Oberlandesgericht Hamburg gekippt.“

„Das Gewaltschutzgesetz, das Frauen vor häuslicher Gewalt schützen soll, ist ein Bundesgesetz“, so Liesching. „Daran anknüpfende Regelungen wie die elektronische Überwachung von Gewalttätern fallen deshalb selbstverständlich ebenfalls in die Bundeskompetenz.“ Spanien mache vor, wie ein solches Modell aussehen könne. Dort seien mit Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung von Gefährdern deutlich weniger Frauen tödlich verletzt worden.

Dr. Liesching: Buschmann „kein Opferschutzminister“

Da der Bundesjustizminister offenbar „kein Opferschutzminister“ sei, hofft Liesching nun auf die Unionsparteien. Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU hat Anfang Juli einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Opferschutzes vorgelegt, mit dem das Gewaltschutzgesetz um die elektronische Aufenthaltsüberwachung als mögliche gerichtliche Maßnahme erweitert werden soll. „Ich wünsche mir, dass für die Abstimmung darüber der Fraktionszwang aufgehoben wird“, so Liesching.

2023 sind laut Polizeistatistik in Deutschland 155 Frauen durch ihren Partner oder Ex-Partner umgebracht worden – 22 mehr als im Vorjahr. Unter den Männern waren es 24.

Wie die Fußfessel Frauen besser schützen könnte

Erstellt am: Freitag, 15. März 2024 von Sabine

Union und SPD wollen die spanische Variante der Fußfessel im Bund einführen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Datum: 15.03.2024

Wie die Fußfessel Frauen besser schützen könnte

Monatelang hat die Redaktion des WEISSEN RINGS umfassend zu den Themen Gewalt gegen Frauen und elektronische Aufenthaltsüberwachung recherchiert und eine Art Lagebild erstellt.

Mainz – Ein Donnerstagabend im Juli 2021. Fast 40-mal sticht ein Mann auf offener Straße auf eine Frau ein, nur eine Notoperation und das beherzte Eingreifen eines Passanten retten ihr das Leben.

Die Überlebende: Frau S.
Der Täter: ihr Ehemann.

Es war eine Tat mit Ankündigung. Nach der Trennung hatte der Mann Frau S. beleidigt, gestalked und bedroht, „ich werde dich erschießen, und dann erschieß ich mich“. Auch eine Bewährungsstrafe stoppte ihn nicht. Frau S. ist kein Einzelfall, ihr Überleben schon.

Frauen vor ihren gewalttätigen (Ex-)Männern zu schützen, das ist das Ziel von gerichtlichen Annäherungs- und Kontaktverboten. Aber die werden in Deutschland tausendfach ignoriert – und Frauen deshalb bedroht, verletzt oder sogar getötet. Allein im Jahr 2022 wurden hierzulande 133 Frauen Opfer.

Monatelang hat die Redaktion des WEISSEN RINGS umfassend zu den Themen Gewalt gegen Frauen und elektronische Aufenthaltsüberwachung recherchiert und eine Art Lagebild erstellt. Wie machen es die Spanier? Wie ist die Situation in Deutschland? Was müssen Betroffene aushalten? Wäre das spanische Modell auch in unserem Land möglich?

Die wichtigsten Erkenntnisse unseres Reporter-Teams:

1) Frauen erleben täglich Gewalt durch (Ex-)Partner. Oft endet diese tödlich.

Alle drei Minuten wird in Deutschland eine Frau Opfer von häuslicher Gewalt. Jeden Tag versucht ein (Ex-)Partner, eine Frau umzubringen. An jedem dritten Tag gelingt es einem (Ex-)Partner, eine Frau zu töten. 2022 starben 133 Frauen durch ihre (Ex-)Partner.

2) Kontaktverbote sollen die Frauen schützen, aber viele Gewalttäterignorieren dies – immer häufiger.

6.587 Verstöße gegen gerichtliche Kontakt- und Annäherungsverbote erfasst die Polizeiliche Krimi­nalstatistik für das Jahr 2022. Im Jahr 2017 waren es 5.932 Verstöße. Das ist ein Anstieg von elf Prozent binnen fünf Jahren.

3) Niemand überwacht die Männer, gegen die ein Annäherungsverbot angeordnet wurde.

Gerichte beschließen Kontakt- und Annäherungs­verbote wegen der Dringlichkeit häufig sogar im Eilverfahren. Aber im Anschluss wird den Gewalt­tätern der Beschluss einfach zugestellt, manchmal nur „durch Einlegen in den Briefkasten“. Eine Über­wachung der Gefährder durch den Staat findet nicht statt.

4) Jedes Jahr sterben Dutzende Frauen durch Männer, die sich ihnen nie hätten nähern dürfen.

Offizielle Zahlen zum Zusammenhang von Tötun­gen und bestehenden Gewaltschutzanordnungen gibt es nicht. Unsere Redaktion hat deshalb mittels einer Datenrecherche im Internet nach Hinweisen gesucht – und sie fand 109 verschiedene, im Jahr 2023 veröffentlichte Presseartikel über Frauen in ganz Deutschland, die getötet wurden von Männern, gegen die sie zuvor ein Kontakt- oder Annäherungs­verbot erwirkt hatten.

5) Spanien zeigt, wie sich Frauen besser schützen lassen: mittels elektroni­scher Aufenthaltsüberwachung.

Seit 2009 setzt Spanien die GPS-Technologie zur Kontrolle von Gewalttätern ein. Das spanische Modell gilt als zu 100 Prozent erfolgreich: Im Rahmen des Schutzprogrammes ist keine einzige Frau getötet worden. Frankreich hat das spanische Modell bereits übernommen, in der Schweiz läuft ein Pilotprojekt.

6) In Deutschland gibt es keine vergleichbare Überwachung.

Die Justizministerkonferenz der Bundesländer hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Mai 2023 um Prüfung gebeten, wie Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz mit dem Einsatz der Fußfessel bundesweit rechtlich gekoppelt werden können. Im November 2023 befand das Ministerium den Vorschlag als „nicht geeignet“. Buschmann gab das Thema zurück an die Länder und verwies dar­auf, dass schon jetzt die Polizeigesetze einiger Län­der Fußfessel-Anordnungen ermöglichten.

7) Derzeit ist der Fußfessel-Einsatz bei häuslicher Gewalt in nur sieben Bundesländern theoretisch möglich.

Nach der derzeitigen Rechtslage ist eine Fußfessel-Anordnung gegen Gewalttäter nur als kurzfristige, präventiv-polizeiliche Schutzmaßnahme für Opfer von Partnerschaftsgewalt erlaubt – in nur sieben Ländern und zumeist nur für wenige Tage. Annähe­rungsverbote nach dem bundesrechtlichen Gewalt­schutzgesetz lassen sich damit nicht überwachen.

8) Praktisch wird die Möglichkeit kaum genutzt, die rechtlichen Anforderungen sind extrem hoch.

Nordrhein-Westfalen etwa hat noch nie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Fußfessel gegen Gewalttäter einzusetzen. In Hamburg gab es einen einzigen Versuch. Und obwohl hier ein Mann eine Frau etliche Male gestalkt, bedroht und geschlagen hatte, kippte ein Gericht die Anordnung.

Transparenzhinweis:
In seinen Strafrechtrechtspolitischen Forderungen tritt der WEISSE RING seit Jahren dafür ein, die elektronische Aufenthaltsüberwachung (Fußfessel) bei Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz und bei gewalttätigen Beziehungstätern einzusetzen.